„Cendrillon“ von Thierry Malandain

„Cendrillon“ von Thierry Malandain

Einfach, klar, heutig

Thierry Malandains „Cendrillon“ an der Wiener Volksoper

Das Prokofjewsche „Aschenbrödel“ einmal ganz anders in Szene gesetzt: Ohne Kitsch und Plunder, ohne Knallfarben und – nahezu ohne Requisiten, auch kein Besen, wären da nicht die schwarzen Stöckelschuhe.

Wien, 15/11/2016

Das Prokofjewsche „Aschenbrödel“ in der Wiener Volksoper einmal ganz anders in Szene gesetzt: Ohne Kitsch und Plunder, ohne Knallfarben und – nahezu ohne Requisiten, auch kein Besen, wären da nicht die schwarzen Stöckelschuhe, die auch als Dekor-Aushang dienen. Und sonst: Grau, Gelb, ein bisschen Gold, Schwarz – die größtenteils puristischen Kostüme von Jorge Gallardo.

Es braucht Mut, der keineswegs einfach verfassten Vorlage (Dramaturgie und Komposition) des 1945 vom Bolschoi-Ballett uraufgeführten Stücks zeitgemäß zu begegnen. Thierry Malandain, Chef des Choreografischen Zentrums in Biarritz, hat sich 2013 getraut und eine durchaus bemerkenswerte Fassung für sein an die zwanzig Tänzerinnen und Tänzer zählendes Ensemble herausgebracht. Er hatte nicht Frederick Ashtons bekannte Slapstick-Fassung für das Royal Ballet vor Augen, wohl auch nicht Rudolf Nurejews grandios-bombastische Inszenierung für das Ballett der Pariser Oper, sondern Maguy Marins Puppen-Hit von 1985. Dieser galt es zu begegnen und ihr sollte etwas Eigenes entgegengesetzt werden, wie Malandain sinngemäß in seinem Text, nachgedruckt im Programmheft der Volksoper, schreibt.

Der Choreograf hat sich dafür auf ein neoklassisch grundiertes Vokabular mit glasklaren, abstrahierten Formen eingeschworen. Ganz aus exakt abgezirkelter Bewegung entwirft der Franzose seinen präzise konstruierten Erzählrahmen, parallele und versetzte Verläufe, Szenen in Zeitlupe, viele Soli auf leerer Bühne. Das muss tänzerisch sitzen (Einstudierung: Giuseppe Chiavaro), Leichtigkeit, Eleganz und Witz vermitteln, sonst entsteht kein Gebinde. Die bekannte Geschichte, die unter dem französischen Titel „Cendrillon“ läuft und bei Malandain in der Welt des klassischen Tanzes spielt, die von der Heldin und den Stiefschwestern mittels versatilem Tanzmeister (Gleb Shilov) angestrebt wird, rollt wie ein aufgezogenes Uhrwerk in 94 Minuten ohne Pause ab. Musikalisch keineswegs vom Band, sondern vom Volksopernorchester unter der Leitung von Guillermo Garcia Calvo umsichtig angeführt.

In Kreisform beginnt und endet die mitunter etwas unterkühlt wirkende Zueinanderführung der Hauptdarstellerin (Mila Schmidt) und des Prinzen (Andrés Garcia-Torres) durch die Fee (Kristina Ermolenok). Das hat immer wieder mit Prokofjews Klängen zu tun, die neben den fein-klirrenden Tönen für das Aschenbrödel und dem berühmten großen, melancholischen Walzer von einer Härte und Schärfe sind, die Malandain nicht zudeckt. Er arbeitet geschickt damit und kreiert so manche eigenwillige Bewegungs-Form, die seine Figuren unverkennbar charakterisiert. Dass die Stiefmutter (László Benedek) und die Stiefschwestern Javotte (Samuel Colombet) und Anastasie (Keisuke Nejime) en travesti getanzt werden, setzt eine bekannte Tradition in Ballettkomödien fort. Dieses glatzköpfige Trio, die Stiefmutter gar wendig mit Krücken unterwegs, sorgt durchaus für Angst und Schrecken. Als bedeute eine gute Welt nichts ohne das Dunkel und Getriebene.

Das Ensemble der Volksoper, das unter dem Dach „Wiener Staatsballett“ firmiert, in erster Linie aber mit Diensten in Opern in beiden Häusern sowie Operetten und manchem Musical betraut ist, hat nun wieder einen eigenen Abend und genießt diese Herausforderung sichtlich. Davon darf es ruhig mehr geben.
 

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