Düsseldorfer Ballettabend „b.26“: „Bournonville Dissertissement“

Düsseldorfer Ballettabend „b.26“: „Bournonville Dissertissement“

Phönix aus der Asche

Pick bloggt über den Ballettabend „b.26“ in Düsseldorf

Was für ein super Programm hat sich Martin Schläpfer da ausgedacht. Der Ballettabend „b.26“ mit Choreografien von August Bournonville, Antony Tudor und Terence Kohler an der Düsseldorfer Oper am Rhein weckt hohe Erwartungen.

Düsseldorf, 19/10/2016

Endlich habe ich das neue Balletthaus in Düsseldorf gesehen und kann nur sagen: Das ist ja spitze! Da muss es ja wirklich Spaß machen, seine Tage zu verbringen. Denn alle der vielen Räume haben Tageslicht und es gibt sogar etwas Grün vor den Fenstern, das sich auch noch verbessern kann. Ein wenig Training und Proben für die neue Premiere habe ich angeschaut und bin schon sehr gespannt auf das fertige Produkt. Joysanne Sidimus, ehemalige Tänzerin am New York City Ballet, die in Düsseldorf einen Mozart von Balanchine einstudiert, habe ich bei der Gelegenheit auch getroffen, nach gefühlten Ewigkeiten. Denn wir haben zusammen getanzt beim National Ballet of Canada. Und natürlich habe ich die Tänzer getroffen, die ich zum Teil auch kenne. Am Abend war ich dann in der Düsseldorfer Oper, deren Bühne ich ebenfalls mal bevölkert habe.

Was für ein super Programm hat sich Martin Schläpfer da ausgedacht. Es gibt zuerst ein großes „Bournonville Divertissement“ in typischen Kostümen, ohne Bühnenbild vor einer zartblauen Opera. Wenn auch mein erster Eindruck war: „ohje, diese spezielle Technik haben sie aber nicht drauf.“ Was sich aber bald, etwa nach der zweiten Nummer, legte, und ins krasse Gegenteil umschlug. Eric White legte später ein Solo hin, dass mich sogar an Niels Kehlet, den Meister dieses Fachs, erinnerte, als die Dänen noch am laufenden Band in die USA eingeladen wurden. Nun, dieser charmante, leicht asiatisch getönte Kerl hat den Ballon, den es dazu braucht, vielleicht schon in die Wiege gelegt bekommen. Und auch seine Partnerin Doris Becker (eine Absolventin der Staatlichen Ballettschule in Berlin!), die sich scheu wegdreht, wenn er sie anmacht, ist technisch hervorragend und, was fast wichtiger ist, sie kann damit spielen! Schade, dass diese Art zu tanzen mit Petipa zu akademischer Langeweile abgeflacht ist und sich oft mit zirzensischen Kunststücken über die Runden rettet. Selbst die in jedem dritten Akt angebotenen Folkloretänze, außer den russischen, sind verkommen. Volkstanz ist Party, man tanzt ja miteinander, um des Lustgefühls willen. Damit keine Missverständnisse aufkommen, ich rede nicht von Choreografie, sondern von der Stilistik.

Nach der ersten Pause lieferte uns das Ensemble die Antony Tudor-Choreografie „Dark Elegies“ aus dem Jahr 1937, noch für das Rambert Ballet in London kreiert, zu den Kindertotenliedern von Gustav Mahler, gesungen und gefühlt von Dmitri Vargin. Ich hätte ihm gewünscht, dass er zwischendurch mal seinen Stuhl verließe und sei es, um hinter der hölzernen Lehne stehend seinen schönen Bariton erklingen zu lassen.

Diese Choreografie ist wie zu seiner Entstehung so zeitgenössisch-fortschrittlich, dass ich zwischendurch an Hans van Manen oder Jiří Kylián denken musste, ohne dass ich annehmen würde, sie hätten sich jemals davon inspirieren lassen. Aber beide können diese Atmosphäre erzeugen, die ohne falsches Pathos auskommt, so wie Mahler, dessen Musik von den Düsseldorfer Symphonikern unter der Leitung von Wen-Pin Chien gespielt, unter die Haut geht. Virginia Segarra Vidal und ihr um sie besorgter Partner Marcos Menha haben Tudor verstanden und wenn mich nicht alles täuscht, hat hier der gute Einfluss der Birgit Keil das seine dazu beigetragen.

Es ist für diese junge Generation Tänzer sicher nicht leicht, diese vergangene Seelenwelt zu erahnen. Boris Randzio und So-Youn Kim kann ich mit Alexandre Simões hier gleich im selben Atemzug mit herausheben, und welcher von den genannten mich zwischendurch an Hugh Lang (den Freund von Tudor) erinnerte, obwohl oder gerade weil ich ihn nie live gesehen habe, kann ich nicht sagen. Im Gegensatz zu Tudor, der mehrere Jahre zu Folkwang kam, nicht nur weil er die auf Spitze tanzende Pina in seinem Ballett „Der Fliedergarten“ liebte, sondern auch Jan Stripling, der sie in dem Stück lieben sollte. Aber Jan ging dann zu Cranko, und Anne Woolliams, die seine Geliebte war, nicht nur im „Fliedergarten“, tat es ihm nach.

Was für eine wunderbare Riege junger Tänzer, die mir irgendwie alterslos erscheinen auf der Bühne des Düsseldorfer Opernhauses. Sie tanzen, agieren, natürlich stark beeinflusst von Martin Schläpfer, und doch sind sie durch die Einstudierung von Amanda McKerrow und John Gardener aufs richtige Gleis gesetzt worden.

Nach der zweiten Pause braust Brahms 1. Sinfonie aus dem Orchestergraben und zuerst schien sie mir tatsächlich eine gute Klammer für diesen Abend zu sein. Aber schon nach den ersten paar Minuten geht dem Choreografen Terence Kohler die Puste aus. Er hat sich hoffnungslos überschätzt mit der Musik, und ein Konzept ist mir auch nicht ersichtlich. Die Kompanie, sich tänzerisch durch und durch mit verschiedenen Charaktere und Kulturen auszeichnend, tut, was sie kann. Ja, die Männer stehen Kopf, aber es hilft alles, aller Aktionismus, nichts. Bis schließlich lähmend lang die gesamte Kompanie über eine alberne Leiter der Burg – dem Verlies? – entrinnt. Und dann drehen sie von rückwärts die Dekorationselemente, erscheinen durch die Spalten im Gegenlicht, auch das nur Effekthascherei, hopsen nochmal. Ist die Situation damit gerettet? – Nein, nicht „One“, aber Zero. Das wäre der richtige Titel für das Stück.

Vielleicht sollte Terence eine Pause einlegen; sich besinnen auf das, was er früher gemacht hat; versuchen, ob er solchen Unsinn selbst tanzen würde und wie ihm dann zumute wäre. Ich habe ja gesehen, was er wirklich kann. Er hat sogar bewiesen, dass er auch Handlungsballett beherrscht. Eine Krise ist dazu da, überwunden zu werden und sich dann wie Phönix aus der Asche in – von mir aus auch kontaminierte – Lüfte zu erheben.

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