Frau kaputt, Kaffeeautomat kaputt

Zu Peeping Toms Uraufführung „Moeder“ im Pfalzbau

An der Schnittstelle zwischen Schauspiel und Tanz hat die belgische Gruppe seit ihrer Gründung im Jahr 2000 einen ganz eigenen Stil kreiert, eine Art hyperrealistische Szenerie, in der die Handlung nur der Logik des Unterbewussten folgt.

Ludwigshafen, 01/10/2016

Die belgische Gruppe „Peeping Tom“ hat seit ihrer Gründung durch Gabriela Carrizo und Franck Cartier im Jahr 2000 international von sich reden gemacht. An der Schnittstelle zwischen Schauspiel und Tanz haben die Belgier, die sich als Produktionskollektiv verstehen, einen ganz eigenen Stil kreiert, eine Art hyperrealistische Szenerie, in der die Handlung nur der Logik des Unterbewussten folgt. So geraten psychische Deformationen besonders gern in den Blickwinkel der Truppe, die sich für die Erarbeitung ihrer Themen und Stücke richtig viel Zeit nimmt und gern mit Fortsetzungen arbeitet. Der Ludwigshafener Pfalzbau ist als Produktionspartner bei den Belgiern mit eingestiegen und zeigte nun nach dem Erfolgsstück „Vader“ die Uraufführung des zweiten Teil der geplanten Trilogie über familiäre Obsessionen: „Moeder“ (Mutter).

Wieder einmal ist das Bühnenbild ein echter Hingucker, eine Kreuzung zwischen verglaster Krankenhauspforte und Ausstellungsraum. Hier hängen die Rollenbilder (Madonna! Schlagendes, blutendes Herz!) und die idyllischen Erinnerungen an den Wänden, hier tun Ehemann und Sohn als Museumswächter Dienst. Hinter der Glasfront der Pforte scheinen einschlägige Krankenhaussituationen durch (Letzte Atemzüge! Geburt! Erwachsenes Kind im Inkubator!). Zu Anfang stirbt die Mutter, am Ende der Kaffeeautomat (trotz Herzmassage). Die letzte Szene hat freilich keine tiefenpsychologische Schärfe, sondern im besten Fall Kalauer-Qualität, und zuvor gibt es ungewohnt viele und vor allem wiederholte Klischees zu bestaunen. Die Frauen jammern, wenn sie die Mutter verlieren, sie jammern, wenn sie Mutter werden und jammern als Mütter um ihre Kinder – das Madonnenbild steht Pate. Natürlich putzen die Mütter auch, sind peinlich, altmodisch, voll unterdrückter Sexualität und auf irgendeine Weise fremdbestimmt.

Das Stück fängt stark an, mit Bildern und Effekten, wie man sie von „Peeping Tom“ gewöhnt ist: Die Tochter verliert sich in den Erinnerungen wie in bedrohlich quatschendem Sumpf, der nur durch die entsprechende Geräuschkulisse jeden Schritt untermalt; ein nur im Tanga über einem offenen Sarg posierender Mann wird als lebende Kunst-Installation enttarnt, schräge musikalische Auftritte akzentuieren den Rundgang durchs Unterbewusstsein. Der wirkt allerdings in diesem Fall merkwürdig unfertig einerseits und klischeebeladen andererseits. An die Qualität von „Vader“ reicht die Fortsetzung bei weitem nicht heran. In den eher höflichen Beifall mischten sich Buh-Rufe, und zuvor hatten schon einige Besucher den Saal demonstrativ verlassen.
 

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