Anne Neumann-Schultheis
Anne Neumann-Schultheis

Erinnerungen

Wir verabschieden uns von zwei wichtigen Förderern des Tanzes in Deutschland.

Pick bloggt über seine Begegnungen mit dem Tanzkritiker Helmut Scheier, eine Rolle als betrunkener Bursche und die Tanzförderin Anne Neumann-Schultheis.

Aachen, 29/09/2016

Als ich vor ein paar Tagen in meiner Heimatstadt Aachen nach langer Zeit wieder einmal den Dom besuchte, um mich von Anne zu verabschieden, die wenige Tage vorher für immer von uns gegangen war, fiel mir plötzlich ein, wie neidisch ich in meiner Grundschulzeit war, dass die Katholiken so ein herrliches Gotteshaus haben und wir Protestanten die Annakirche mit weißen Wänden und einem Pfarrer im schwarzen Talar. Ich ging damals so oft wie möglich auf dem Heimweg beim Haupteingang des Doms hinein und an der anderen Seite zum Katschhof wieder hinaus. Ich hätte nie gedacht, dass dort eine Aachenerin, die für den Tanz sehr viel getan hat, ausgesegnet würde.

Das Oktogon aus der Zeit Karls des Großen war bis auf den letzten Platz gefüllt, obwohl in Aachen, Köln und Bonn der Tanz an den Opernhäusern abgeschafft wurde. Da erinnert man sich gern an bessere Zeiten als Anne das Bundesland am Rhein zum „Tanzland NRW“ erkor, die Tanzmesse erfand und treibende Kraft für die Gründung der bundesdeutschen Ballett- und Tanztheaterdirektorenkonferenz – kurz BBTK – war, die dann allerdings in Frankfurt aus der Taufe gehoben wurde und, dank ihr, noch immer besteht.

Anne hat Susanne Linke zwar nicht entdeckt, aber ihrer Karriere auf die Beine geholfen und sie mit dem Goethe-Institut auf alle fünf Kontinente begleitet. Als sie sich nach einer Krebsoperation von ihren Ämtern zurückzog, war ihr Mann Karl Schultheis es, der ihr nach Kräften half und noch eine Abschiedsreise organisierte, wie bei einer der Reden zur Sprache kam. Eine starke Frau, die ich sicherlich nicht vergessen werde.

Und dann wurde mir leider heute noch berichtet, dass Helmut Scheier, der als Tanzkritiker lange für den Kölner Stadtanzeiger geschrieben hat, im biblischen Alter von 89 Jahren gestorben ist. Eigentlich war Scheier ein Spätberufener, der mit Tanz wenig zu tun hatte, aber dieser Kunstgattung verfallen war, ganz gleich ob Pina Bausch, George Balanchine oder Hans van Manen verantwortlich zeichneten. Er schrieb auch für das „Tanzarchiv“, dessen Herausgeber Kurt Peters und seine Frau Gisela er sehr verehrte. Ich hatte mal ein Streitgespräch mit ihm, das sich um Klaus Geitel und seine Rezensionen drehte, die er nicht besonders mochte, im Gegensatz zu mir. Das muss zu der Zeit gewesen sein, als ich an der Kölner Sommerakademie bei Hans van Manen an seinem Choreografiekurs teilnahm und Scheier bei allen Kursen zusah. Diese kleine Auseinandersetzung hielt ihn aber nicht davon ab, nach Ulm zu reisen, wo ich „Coppélia“ auf die Bühne gebracht hatte. Weil die Kompanie nur klein war, musste ich selbst mittanzten und habe mir als einer der Burschen ein Solo gebaut, als hoffnungslos Betrunkener, das er besonders mochte, wie ich später im „Tanzarchiv“ lesen konnte.

In dieser Zeit arbeitete ich auch öfter mit dem Komponisten Pierre Henry zusammen und bei einer dieser Gelegenheiten kam Scheier mit seiner Frau, einer Ärztin, für ein paar Tage ins „Hotel de la Paix“ gleich neben der Oper, wo sie mich zum Essen einluden. Leider wurde der Kontakt im Lauf der Zeit immer dünner, was natürlich durch die große Distanz zwischen Köln und München verständlich ist. Und in Köln gab es ja dann keine Sommerakademie mehr und das Ballett ging aus der Oper ins Exil und in den Ruin. Es gab also immer weniger Anlässe für Gespräche mit diesem klugen Mann, was mir sehr leidtat.

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