„In spite of wishing and wanting“ von Wim Vandekeybus

„In spite of wishing and wanting“ von Wim Vandekeybus

Tanzwerkstatt – Auftakt mit Vandekeybus

Mit „In spite of wishing and wanting“ von Wim Vandekeybus ist die Tanzwerkstatt Europa eröffnet

Elf stählern durchtrainierte und zugleich ultrabiegsame Körper galoppieren kreuz und quer, schnaubend, Hufe-scharrend, Mähne-schüttelnd über die Bühne.

München, 31/07/2016

Wer hätte das gedacht? Der zeitgenössische Tanz, der sich jahrelang auf Kleinstbühnen abkämpfte, nur allmählich auf Festivals eine größere Öffentlichkeit begeisterte, ist nun im allerheiligsten Kunsttempel Oper angekommen. Der zeitgenössische Choreograf Sidi Larbi Cherkaoui brachte ja gerade Jean-Philippe Rameaus Opéra-ballets „Les Indes galantes“ für die Münchner Opernfestspiele heraus. Und kein Aufschrei, nur Jubel. Diese Entwicklung - das ist nicht weit hergeholt - haben Veranstaltungen wie die von Walter Heuns Münchner Joint Adventures mitbewirkt. Heuns seit 1991 jährlich stattfindende Tanzwerkstatt Europa (TWE) eröffnete soeben in der Muffathalle mit „In spite of wishing and wanting“ (1999) des renommierten Belgiers Wim Vandekeybus.

Nur Männer auf der Bühne! Elf stählern durchtrainierte und zugleich ultrabiegsame Körper, einer davon Vandekeybus selbst, galoppieren kreuz und quer, schnaubend, Hufe-scharrend, Mähne-schüttelnd. Wilde Pferde, hoch fliegende Vögel oder auch flinke Fische – alles, alles ‚wünschen und wollen’ kleine Buben sein, wie ein Tänzer in Kindersprech erzählt – und auch alles haben. In solchen gesprochenen Passagen scheint Vandekeybus' Sicht des männlichen Charakters auf: die Besitzansprüche schon in frühestem Lebensalter, die trotzige Selbstbehauptung, auch die kindlichen Ängste: gellende Panikschreie durchschneiden den Raum; im Dauertremor stürzen Körper zu Boden.

Ganz ähnlich wie das andere belgische Multitalent Jan Fabre mäandert Vandekeybus zwischen Sprache, Bewegung und Film. Sein zwischendurch eingeblendeter Streifen „The last words“ (nach Kurzgeschichten von Julio Cortázar) zeigt Machtspiele von Größenwahnsinnigen auf italo-surreale Cineastenart. Surreal, wie wirr geträumt wirkt der Abend auch in seinen Tanzszenen: Auf nachtschwarzer Bühne irrlichtern die Männer mit Taschenlampen. In langen Röcken wandeln sie sich springend und kreiselnd zu postmodernen Derwischen. Und sie ziehen uns mit rasenden Kontaktfiguren in ihren Bann: Wie sie sich mit Impuls und Gegenimpuls im Dreierverbund hin- und herwenden, wie sie sich durch sekundenschnelle Körperanspannung als Selbstgeschoss waagerecht in die Arme von zwei Partnern schnellen, da scheint Vandekeybus wieder an seinem choreografischen Beginn anzuknüpfen.

Sein Erstling 1987 „What the body does not remember“ (überarbeitet bei der TWE 2014) ist ja so ein Extremtanz-Stück, das in der Nachfolge des Kanadiers Edouard Lock vor fast dreißig Jahren den europäischen New Dance einläutete. Aussagekraft als akrobatisch-wehrhafter Stil und eine große Faszination hat dieser Powerdance noch heute. Er ist jetzt nur noch geschliffener, noch raffinierter geworden, in den oben genannten Derwischtänzen auch eleganter. Das Stück hat eine Spur zu viel vom ‚Kind im Manne’ und damit Längen, die David Byrnes subtil auf alle Stimmungen eingehender Soundtrack in etwa auffängt. Was letztlich zählt, ist die unterschwellige Botschaft des Choreografen und seiner Kompanie Ultima Vez: Der zeitgenössische männliche Tänzer ist autonom, stark, schön, aufregend.
 

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