„Unknown“ von Jason Franklin

„Unknown“ von Jason Franklin

Von Futterneid und Künstlerpech

„Dance Lab“ zum Spielzeitende in Münster

Für kleinformatige Experimente wie das „Dance Lab“ zum Saisonende bietet die Intimität des Ballettsaals ein ideales Ambiente. Der Zuschauer fühlt sich hineingenommen in die Arbeitswelt der Künstler.

Münster, 26/06/2016

Welche Sehnsucht, Hoffnungen und Wut sich hinter dem schönen Schein eines Menschen oft verbergen, wollte Keelan Whitmore in „Beneth the Surface of Appearances“ zeigen - ein ideales Tanzthema also: was Körpersprache manchmal verrät. Sportiv, aggressiv und zickig von der impulsiven Maria Bayarri Pérez, der hochgewachsenen Agnès Girard und der temperamentvollen Elizabeth Towles in Szene gesetzt, setzen sie die perplexen drei ‚Machos’ Thanh Pham, Adam Dembczynski und Jason Franklin glatt schachmatt. Großes Plus dieser viertelstündigen Lektion über Missverständnisse in Paarbeziehungen war die von Hiroko Ishigame gespielte Klaviermusik von Erik Satie und Alexander Skrijabin.

Den „Widerspruch zwischen deinem äußeren und inneren Selbst“ bringt auch Mirko De Campi in seinem Duett „Inside Eden“ zum Ausdruck. Ebenso elegant wie sensibel tanzen Ako Nakanome und Jason Franklin auf die vorzügliche Musikkollage.

Auf psychologische Spurensuche begibt sich Maria Bayarri Pérez ebenfalls in ihrem Terzett „Impressions“ - einem stilistisch besonders harmonisch choreografierten Stück über „Positive und negative Eindrücke, die Menschen, die durch unser Leben gehen, hinterlassen“. Die Spannung einer Dreiecksliebesgeschichte wird kaum angedeutet - ein kleines Manko vielleicht. Womöglich tanzen Agnès Girard, Aka Nakanome und Alessio Sanna zu der Rockmusik der amerikanischen Band Nine Inch Nails einfach zu ebenmäßig schön.

Kommentieren diese drei Kurzchoreografien das Spielzeitthema „Licht- und Schattenseiten der menschlichen Existenz“ eher auf seelischer Ebene, so verweist Jason Franklin mit seiner explosiven Gruppenchoreografie „Unknown“ auf die finsteren Bedrohungen in der heutigen Welt. Grelle Scheinwerfer leuchten ins Dunkel. Nur schemenhaft sichtbar werden drei Brutalos. Sie traktieren drei Opfer, denen sie schwarze Kapuzen über die Köpfe gezogen haben. Alle tragen schwarze Socken (wie Stiefel), dunkle Glockenröcke und weite Schlabberpullover (wie aufgeweichte Kettenhemden). Hier herrscht das Faustrecht. Stroboskopisches Flackern und glutrote Beleuchtung signalisieren Folter und Blut. Die Opfer befreien sich - und vereinen sich mit den Tätern zu einem furiosen Tanz der Derwische... Diese letzte Szene im blau belichteten Halbdunkel ist reif für die große Bühne!

Ein richtiger Rausschmeißer am Ende der Saison ist Elizabeth Towles' „Regen“, wobei nicht ganz klar ist, ob es hier mehr um das Nasswerden oder das Bewegen der Glieder geht. Zu Beginn versucht Jason Franklin ein klassisches Solo auf Adolphe Adams „Giselle“-Musik und sonnt sich nach jeder Pose in den euphorischen Ovationen seiner Fans an der ‚Rampe’. Nach einer Slapstick-Nummer von Priscilla Fiuza und Thanh Pham versucht sich Agnès Girard als Bühnendiva, macht sich dabei aber ordentlich nass und rutscht beängstigend gefährlich auf den Pfützen aus den geplatzten wassergefüllten Luftballons aus. Soviel zum Thema Futterneid und Künstlerpech im Rampenlicht. Dank wirklich witziger Grimassen und Verrenkungen der beiden Männer eine Lachnummer.
 

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