„Cover Story“ von Nora Elberfeld

„Cover Story“ von Nora Elberfeld

Geheimbündelei

Nora Elberfelds „Cover Story“ auf K3 in Hamburg

Hervorgegangen aus ihrer Residenz am Zentrum für Choreografie Hamburg ist dieses neue Stück, das einen in Geheimnisse einzuweihen scheint, die dann doch nicht gelüftet werden.

Hamburg, 07/04/2016

Schichten um Schichten legen sich im Laufe des Stückes langsam übereinander: Bewegungen, Narrationsfragmente, vielsagende Blicke und Beziehungskonstellationen. Immer wieder verschieben sie sich, passen an manchen Stellen plötzlich aufeinander. Dann erhascht man einen Augenblick Klarheit, glaubt etwas verstanden zu haben. In solchen Augenblicken wird körperlich illustriert, was sprachlich zuvor eingeleitet wurde: „Sie hebt ihren rechten Arm in die Luft (...). Sie öffnet und schließt ihre Hände“. Doch schon im nächsten Moment löst sich dieser Augenblick der Klarheit wieder auf und lässt die eigenen Gedanken weiter kreisen.

Die Tänzerinnen übernehmen den Raum mit ihren Bewegungen, eignen sich ihn an. Das Bewegungsmaterial wirkt genauso individuell und biografisch wie die Stimmen und die Präsenz der Tänzerinnen, die zwar zusammen auf der Bühne stehen, aber vordergründig ihre eigene Geschichte erzählen. Erst gegen Ende lassen marschierende Bewegungen sie zu einer kraftvollen Gruppe verschmelzen. In manchen Augenblicken kommen sie in langsamen, zeitlupenartigen Schritten – rückwärts oder zu Boden gehend – zusammen. Sprachliche Ankündigungen geben Visionen einer möglichen Zukunft der Bühnenrealität: „Die Mikrofone werden an einer Stelle im Stück zu euch gedreht werden“; „Ein Hubschrauber wird das Wasser aufpeitschen und unsere Stimmen schlucken“; „Ich werde auf ein Zeichen von euch warten, mich dann ausziehen, ihr müsst auch nicht hingucken, und die Bühne verlassen, um draußen etwas vorzubereiten, das wird mich vielleicht in einen desolaten Zustand bringen“...

Auf jeweils zwei Seiten der Bühne und in einer Ecke des Bühnenraumes befinden sich die Tribünen, jede der drei Tänzerinnen - Nora Elberfeld, Angela Kecinski und Nanina Kotlowski - beansprucht einen Publikumsabschnitt für sich und lädt das Publikum ein Platz zu nehmen. Es entstehen kleine Gemeinschaften zwischen Tänzerin und Zuschauer*innen. So weihen die Tänzerinnen das Publikum in ihre Geschichten ein. Man wird irgendwie Teil eines Geheimnisses – das jedoch nie aufgedeckt wird. Die Stimmung wechselt zwischen Stille und Geräuschkulisse, kreiert zeitweise eine Hörspielatmosphäre. Die Wasserinstallation von Marc Einsiedel, ein kleines Becken am Rande der Bühne, vergrößert sich in der eigenen Vorstellung, wird durch den imaginativen Raum, der sich über das Geschehen schiebt immer imposanter und tropft unermüdlich weiter.

Zurück in der Bühnenrealität wirkt das Wasserbecken dann jedoch klein und etwas unentschlossen. Auf der Bühne wird geflüstert, man bekommt gar nicht mit, um was es nun geht. Und dann überschlagen sich die Stimmen der Tänzerinnen, wenn sie im Kanon ihren Text sprechen und das Anlaufen eines Propellers evozieren, der immer mehr Geschwindigkeit aufbaut.

Man ist gefangen in der Ambivalenz zwischen charmantem Eingefangen-Werden, Intimität und geheimnisvoller Zurückhaltung, die etwas zu verbergen scheint. Als wäre man immer nur knapp an der Bedeutung von Bewegung und Worten vorbeigeschlittert.
 

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