Verleihung Deutscher Tanzpreis 2016: Elisabeth Exner-Grave, Liane Simmel, Eileen M. Wanke und Tobias Ehinger

Verleihung Deutscher Tanzpreis 2016: Elisabeth Exner-Grave, Liane Simmel, Eileen M. Wanke und Tobias Ehinger

Bitte noch besser vernetzen!

Pick bloggt über Tanzjahr 2016, Deutscher Tanzpreis 2016 und tanznetz 20 Jahre

Günter Pick wünscht sich großzügige Verbindungen nicht nur von freier Szene und Stadttheatern, sondern auch von den vielen großen Initiativen und Wettbewerben für Tanz in Deutschland.

Frankfurt/Essen, 14/03/2016

Ehe ich aushole zum Deutschen Tanzpreis möchte ich bemerken, dass sowohl dieses nun schon seit zig Jahren stattfindende Ereignis ebenso wie der Choreographische Wettbewerb in Hannover, der in diesem Jahr seine 30. Wiederkehr feiern kann als auch der Internationale Ballettwettbewerb in Berlin zu meinem großen Erstaunen von den Erfindern des Tanzjahres 2016 bei keiner Gelegenheit Erwähnung finden. Auch nicht beim Empfang des Bundespräsidenten Gauck mit vorangegangener Pressekonferenz. Und das obwohl dessen Vorvorgänger Herr von Weizsäcker nicht als Staatsbesuch, sondern als kunstsinniger Bürger dieses Staates einmal als Laudator für H. W. Henze Essen einen Besuch abstattete, ganz zu schweigen vom Bundestagspräsidenten Norbert Lammert, der mit schöner Regelmäßigkeit seinen Schirm über die Veranstaltung Deutscher Tanzpreis hält und als Laudator für Hans Herdlein besonders gut in Erinnerung ist!

Die drei Erfinder vom „Tanzjahr 2016“ scheinen unter sich bleiben zu wollen. Es ist schon erstaunlich genug, dass die drei sich an einem Tisch zusammengefunden haben. Aber lassen Sie sich sagen, meine Damen und Herren, ohne uns zu vernetzen kommen wir nicht weiter! Das trifft auch auf die Bundesdeutsche Ballett- und Tanztheaterdirektorenkonferenz (BBTK) und unsere Staatlichen Ausbildungsschulen zu, die ja endlich im Gespräch miteinander sind und ich möchte daran erinnern, dass Anne Neumann vom Sekretariat Tanz NRW die treibende Kraft war für diese Gründungen. Und wenn ich mich nicht sehr irre, war der Dachverband eine Initiative, die auch eher aus der Ecke der Freien Szene kam und sich schwer tat mit den Etablierten. Ob das sich Abgrenzen besonders bezeichnend ist für uns Deutsche wage ich nicht zu sagen, aber ich merke nicht, dass die gesamte Tanzszene in eine gemeinsame Richtung zieht: Der Tanz braucht Unterstützung sowie alle Theatergattungen und zwar nicht auf Kosten anderer!

Und daher ist es nicht gut, dass der Tanzpreis am selben Wochenende über die Bühne ging wie die Tanzplattform Deutschland in Frankfurt. Wir sollten uns besser verknüpfen und ich hätte ein paar Ideen dazu: Kann die Jury der Tanzplattform nicht ein Stück des jungen Choreografen oder einer jungen Choreografin, die den Tanzpreis Zukunft erhält, in ihr Programm nehmen? Und/oder den Preisträger des Berliner Tänzerwettbewerbs und erst recht einen Sieger des Choreografischen Wettbewerbs Hannover? Wenn das Schaufenster Tanzplattform repräsentativ für die choreografische Arbeit in Deutschland sein soll, sollte der Blick schon etwas offener sein. Im Übrigen sollte es auch keine Einbahnstraße sein, dass Choreografen aus der Freien Szene an feste Häuser als Gast oder gar als Leiter engagiert werden. Umgekehrt darf ein Tanzhaus ruhig Etablierte für sich finden, Profis aus den subventionierten Stadt- und Staatstheatern, auch wenn den Verantwortlichen oft unwohl wird bei der Nennung.

Aber damit genug Vorrede und ich springe gleich mitten in die jährliche Gala des deutschen Tanzpreises, die dieses Jahr Martin Puttke, dem vielleicht erfolgreichsten Pädagogen, den die beiden deutschen Staaten seit Kriegsende hervorgebracht haben, gewidmet war. Zumindest einer seiner mit Gold behängten Medaillen-Schüler, Oliver Matz und heute Direktor der Tanzakademie Zürich, konnte in dieser Gala auch mit zweien seiner Schüler unter Beweis stellen, dass er die ererbte Tradition mit Erfolg fortsetzt. Aber auch die Berliner Schule hatte solche Erfolge aufzuweisen …

Jas Otrin, der das Programm zusammengestellt hat, hat seine Schuldigkeit getan und begrüßte alle Honoratioren einnehmend mit seiner wunderbaren Stimme, die ihn auch als Bass/Bariton ausweisen könnte. Neben Dr. Lammert hatte auch der OB Thomas Kufen den Weg ins Aalto Theater gefunden und natürlich eine Unmenge Mitglieder des Verbands der Ballettpädagogen. Diese führen regelmäßig ihre jährliche Mitgliederversammlung aus Anlass der Preisverleihungen durch. (Der Verband hat auch eine starke Stimme in der Jury des deutschen Tanzpreises).

Den Anfang der Gala machte brillant Ben van Cauwenbergs Aalto-Ballettkompanie mit einem Ausschnitt aus der „Giselle“-Produktion in der Choreografie von David Dawson, dem „Hochzeits-Pas de-cinque“, dem man auch den Titel „Balanchine was here“ hätte geben können. Eigentlich war dieses Opening technisch schon der Höhepunkt dessen, was man bei einer solchen Gala erwartet und das krasse Gegenteil schloss den Abend ab, was bei mir die Frage aufwarf: Wer hat denn „With Love“, eine Choreografie von Isabelle Chaffaud und Jerome Mayer der Zürcher Hochschule der Künste als Rausschmeißer eingeladen? Avanti Dilletanti.

Jede der mindestens 500 Mitglieder des Deutschen Berufsverbandes für Tanzpädagogik hätte das ebenso wertvoll auf die Bühne bringen können ohne Subvention und Anspruch auf Professionalität, sondern als gute Basis ehe man an ein staatlich subventioniertes Institut wechselt, wenn man begabt genug ist. Das einzig Gute an dem Stück ist die Musik. Sie hat vermieden, dass noch mehr Leute das Ende nicht abgewartet haben.

Die drei Gewinnerinnen des Anerkennungspreises, Dr. Liane Simmel, Dr. Eileen Wanke und Dr. Elisabeth Exner-Grave, alle Koryphäen der Tanzmedizin in Deutschland, hatten sich mit einem Sketch über die Wichtigkeit der Vorsorge vor Unfällen auf der Bühne etwas erfreulich nicht ernst zu Nehmendes ausgedacht. Ganz im Gegensatz zu ihrem Laudator, Tobias Ehinger. Er legte Gewicht auf die Ernsthaftigkeit des flüchtigen Moments und hatte ja auch die Aufgabe, zu vermitteln wie wichtig die Sorge um Prävention und Therapie ist, bei typischen Erkrankungen der Tänzer! Als die „Drei“ ihn in einen Sicherheitshelm und ebensolche Stiefel steckten, hatten sie endgültig gewonnen, nahmen aber die Auszeichnung für ihre medizinischen Verdienste mit Grazie trotz blinkender Sicherheits-Schuhe, entgegen.

Für eine bemerkenswerte Choreografie mit dem Titel „Love Song“ wurde der junge Choreograf Andrey Kaydanovskiy mit dem Tanzpreis Zukunft ausgezeichnet, den er sich teilt mit Marcos Menha, einem Noch-Nachwuchssolisten aus der Talentschmiede Mannheim unter der Leitung von Birgit Keil und Wladimir Klos. Er ist ein biegsamer aber nicht beugsamer junger Mann aus Brasilien, der hochbegabt hier ankam und dem man eher bremsen musste mit so viel unreifem Talent. Ich habe ihn oft in ganz verschiedenen Stücken gesehen in Karlsruhe, wo er der Gruppe schnell nicht nur einen Kopf zu groß wurde. Nun ist er in Düsseldorf bei Martin Schläpfer, der ihm ein Stück auf den Leib choreografierte mit einem schwarzen Tänzer (Chidozie Nzerem), der ihn an der Hand hält und sich auch sonst noch um ihn kümmert. Aus diesem Stück „verwundert syn-zu sehn“ (Musik Skrjabin) sahen wir einen eindrucksvollen Satz, aber man müsste wohl das ganze Stück sehen, um der Tiefe der Gedankenwelt von Schläpfer folgen zu können.

Alexandra Georgieva (Ballettdirektorin am Friedrichstadt-Palast, Berlin) hielt die Laudatio für die beiden „Zukunfts-Gewinner“, wobei sie offenbar den gebürtigen Moskauer Andrey Kaydanovskiy durch den Berliner Tänzer-Wettbewerb besser kannte, wo sie in der Jury beteiligt war. Er lebt heute in Wien, wo er nach Visiten in der Bolschoi Schule, der Cranko-Schule, dem Ballett-Institut St. Pölten und der Wiener Staatopern-Schule nun als professioneller Choreograf beheimatet ist. Ein vielversprechendes Talent, wie sich in der von ihm selbst und den Kollegen Mila Schmid und Andras Lucacs getanzten Choreografie „Love Song“ zeigte. Ich bin sicher, er wird sich durchsetzen, gefördert durch die vielen verschiedenen Eindrücke der Schulen und Länder und ein musisches Elternhaus, denn so viele Talente gibt es ja nicht.

Noch ein Höhepunkt ist erwähnenswert aus der Fülle der Beiträge. Ein Widersehen mit zwei Starsolisten des Staatsballetts Berlin, Beatrice Knop und Ronald Savkovic, der auch für die Choreografie „Tranzparente“ zeichnet. Beide waren oder sind Publikumslieblinge, wenn Savkovic auch in seine Heimat Kroatien zurückgekehrt ist. Aber bleiben wir in Berlin und kehren zurück zum Tanzpreisträger 2016. Martin Puttke brachte einen Film mit, der zu DDR-Zeiten im Studio gedreht wurde von der wertvollen Choreografie „Kinder-Kreuzzug“ von Stefan Lux zu Musik von Benjamin Britten. Das wäre doch ein wertvoller Beitrag des Tanzfonds Erbe, einen fast vergessenen Künstler ins Gedächtnis zurück zu holen, statt jedes Jahr Gerhard Bohner? Im Osten gab es auch Wertvolles, auch in Berlin.

Abschließen möchte ich mit einem unvergesslichen Höhepunkt dieser Gala, nämlich der Laudatio von Christiane Theobald, stellvertretende Direktorin und wichtigste Mitbegründerin des Berliner Staatsballetts, das nicht zustande gekommen wäre ohne sie. Eine so kluge Frau, die Martin Puttke erst nach der Wende wirklich kennengelernt hat, als sie sich in der Ballettdirektoren-Konferenz begegneten. Die Beschreibung des Lebenswegs eines so schillernden Charakters, wie dem von M. Puttke, der aus dem Westen stammt, aber vorzog seine Karriere über eine Pädagogenausbildung in Moskau und in der DDR zu machen. Ein Mann, der polarisiert, besser kann man es nicht ausdrücken, aber was seine fachliche Kompetenz betrifft, ist nichts anzuzweifeln. Und das zum Schluss: er ist nicht der einzige Pädagoge, der ausgezeichnet wurde. Kurt Peters hat sich als solcher ausgezeichnet ehe er das Tanzarchiv gründete und Gustav Blank, der in Konkurrenz zur Gsovsky große Schüler hatte, aber in Hamburg an der Staatsoper durchaus auch erfolgreich war, z. B. mit „Mario und der Zauberer“.

Aber man kann ja nicht alles wissen und deswegen gibt es ja nun schon seit 20 Jahren (wo sind sie geblieben?) das tanznetz und ich nutze die Gelegenheit Nina Hümpel und ihrem Team zu gratulieren, dass sie erschöpfend unseren Anliegen dieses Forum bietet! Und darf ich eine klitzekleine Träne zerdrücken, dass der Weigelt, (weil er alles Pulver schon verschossen hat?) nicht mehr auftaucht, außer bei Premieren?

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