„Same old set different show“ von Antony Rizzi

„Same old set different show“ von Antony Rizzi

Vergangenheit ohne Zukunft

Antony Rizzi und „The Bad Habits“ gastierten mit „Same Old Set Different Show“ zum letzten Mal in der Hebelhalle

Rizzi und seine Künstlergang wissen genau, was sie können. Und so mischt sich der Jubel mit Wehmut – das kann es doch noch nicht gewesen sein, Tony?

Heidelberg, 02/03/2016

Er solle, so hat es ihm ein Kritikerkollege der New York Times vor Jahren ins Stammbuch geschrieben, in seinen Performances mehr tanzen (und weniger reden). In seiner nicht nur jüngsten, sondern auch letzten Produktion „Same Old Set Different Show“ beherzigt Tony Rizzi diesen Rat – wenigstens den ersten Teil. Von der ersten bis zu letzten Minute tänzelt und tanzt der Frankfurter Künstler, der zu den engsten Mitarbeitern von William Forsythe und Jan Fabre gehörte, durch sein Stück. Seit zwanzig Jahren macht er sein eigenes Ding in der freien Szene (in der Vergangenheit kontinuierlich unterstützt vom Frankfurter Mousonturm), und sein Ding oder besser seine Dinge sind Tanz, Sex und Religion. So authentisch und im wahrsten Sinn des Wortes hemmungslos hat noch kaum ein anderer Choreograf und Tänzer die eigene Haut zu Markte getragen – kein Wunder, dass Antony Rizzi dazu keine Lust mehr hat. Aber jammerschade ist es schon.

Dreimal vorher war Rizzi schon in der Hebelhalle zu Gast und hat in Heidelberg eine stetig wachsende Fangemeinde gefunden. Die vierte, jüngste Produktion hat das UnterwegsTheater mitproduziert – und hier in der Hebelhalle wurde die Show zum letzten Mal gezeigt, ein Good Bye der besonderen Art. Wie sich das so gehört für Abschiede, lässt Rizzi seine elf „Bad Habits“ zur angesagten Rückschau auf so viel Tänzerleben Dankesworte sprechen – zunächst wie ein Flashmob aus dem Publikum heraus organisiert, später immer wieder aktuell eingestreut. In den echten Dank mischen sich frecher Witz und bittere Ironie mit vielen, vielen Seitenhieben auf den aktuellen (Tanz)Kulturbetrieb. Aber schön war es eben doch, das Tanzen, und so schwelgen Rizzi und seine Mitstreiter (gestandene Tänzerpersönlichkeiten in einem Alter, in dem die meisten sicherlich in keinem festen Ensemble mehr anheuern könnten) in der eigenen Vergangenheit. Tanz, so ist eine fatale Botschaft dieses Abends, hat nur eine Vergangenheit und keine Zukunft.

Zur Erinnerung an die glorreichen Seiten der Vergangenheit tauchen die zwölf Protagonisten in unerhörtem Tempo in bereitstehende Kisten, in denen sich Kostüme aus dem Fundus mit Stücken des japanischen Edel-Designers Issey Miyake mischen. Und woran sie sich nicht alles erinnern, die Bad Habits! An technisch ausgefeilten Spitzen- und hingebungsvollen Ausdruckstanz, an Pina Bausch und japanisches No-Theater, an „Nussknacker“ und „Schwanensee“ und an den legendären „Bolero“ von Maurice Béjart, in dem es vor Erotik mehr als nur knisterte... Rizzi und seine Künstlergang wissen genau, was sie können, was sie zeigen, was sie andeuten, ironisieren, karikieren. Der frisch gegründeten, mit anderthalb Millionen subventionierten sechsköpfigen Ü-40-Vorzeigecompany „Dance On“ kann man nur Choreografen wünschen, die ihnen genau das passend auf ihre Körper schneidern.

In der Heidelberger Hebelhalle mischte sich der Jubel mit Wehmut – das kann es doch nicht gewesen sein, Tony? Hoffen wir, dass es so ausgeht wie in der Musikszene, wo schon manche Abschiedstournee doch nicht so endgültig war.
 

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