„minute papillon“ von Toula Limnaios; Karolina Wyrwal

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Die neuen Berliner Förderentscheide

Weihnachtsgeschenke auch für die freien Tanzschaffenden Berlins

Der Doppelhaushalt 2016/2017 ist von den beiden Regierungsfraktionen SPD und CDU beschlossen worden, mit erheblichen Steigerungen für die Ausgaben von Kunst und Kultur, wovon die sogenannte Freie Szene spürbar partizipiert.

Berlin, 21/12/2015

von Günter Jeschonnek

Nach den Ankündigungen des neuen Berliner Regierenden Bürgermeisters Michael Müller, der zugleich wie sein Vorgänger Klaus Wowereit Kultursenator der Hauptstadt ist, insbesondere die Freien bei den geplanten Haushaltsaufstockungen des Kulturetats zu berücksichtigen, glaubte kaum jemand daran, dass das Berliner Abgeordnetenhaus diesem Versprechen folgen wird. Nun ist es offiziell: der Doppelhaushalt 2016/2017 ist von den beiden Regierungsfraktionen SPD und CDU beschlossen worden, mit erheblichen Steigerungen für die Ausgaben von Kunst und Kultur, wovon die sogenannte Freie Szene spürbar partizipiert. Der gesamte Kulturetat steigt in 2016 um 33 Mio. € (6,97%) auf rd. 505,3 Mio. € und für 2017 wurde eine Steigerung um rund. 50 Mio. € (10,59%) auf dann 522,3 Mio. € beschlossen.

Seit einigen Jahren kämpfen die Berliner Freien aller Kunstsparten, die sich in der „Koalition der Freien Szene“ zusammengeschlossen haben, für ein konstruktives Miteinander von Kulturverwaltung, Landesregierung, Parlament und den Akteuren. Ein nicht unwichtiger Partner dabei sind die Berliner Medien, die die oft kontroversen Diskussionen in die Öffentlichkeit tragen. In Berlin wäre es inzwischen undenkbar, dass wichtige Entscheidungen über die Perspektiven von Kunst und Kultur ohne die vielen Künstler und ihre Vertretungen getroffen werden. Die Berliner Politik hat längst begriffen, dass gerade die vielfältigen Kunst- und Kulturangebote der Stadt der zentrale Magnet für Touristen aus der ganzen Welt, allen Bundesländern wie auch für die Berliner selbst sind. Deshalb haben insbesondere die unzähligen Aktiven, die „Koalition der Freien Szene“ und der „Rat für die Künste“ entscheidenden Anteil an diesen partizipativen Prozessen, die schließlich zur größten Steigerung des Berliner Kulturhaushalts führten. Ein Riesenerfolg für alle Beteiligten, den es so bisher noch nie gegeben hat. Fast ein Viertel dieser Steigerungen fließt der Freien Szene zu.

Der in der letzten Zeit oft gescholtene Berliner Kulturstaatssekretär Tim Renner, der selbst aus der Musikwirtschaft kommt und kein klassischer Kulturpolitiker ist, räumt trotz des einmaligen Erfolgs ein, dass damit noch nicht alle offenen Probleme der Berliner Kulturlandschaft gelöst sind: „Natürlich sind wir noch nicht am Ende des Weges angekommen, es gibt noch viel zu tun, viel aufzuholen, aber wichtig ist, dass wir jetzt die ersten, entscheidenden Schritte zusammen gegangen sind.“

Die Freie Szene erhält zusätzliche Mittel in Höhe von 7,5 Mio. € in 2016 und 9,5 Mio. € in 2017. Zuzüglich fließen aus der in Berlin durch die Initiative der Akteure eingeführten City Tax Mittel der Freien Szene zu, so dass die Erhöhungen für 2016 bei rund 10 Mio € und in 2017 bei rund 12 Mio. € liegen. Diese Mittel tragen dazu bei, bei Projektförderungen die geforderten Honoraruntergrenzen im Bereich der Darstellenden Künste weitestgehend einzuhalten, Arbeits- und Recherestipendien zur Verfügung zu stellen, den Ausbau und Aufbau von Arbeitsräumen zu fördern, Ausstellungshonorare für Bildende Künstler einzuführen und zusätzliche Mittel für Kinder- und Jugendtheater, den Ankauf von Bildender Kunst, die Neue Musik, Spielstätten, Projekträume und den Kofinanzierungsfonds ESF/EFRE bereitzustellen. Und erstmalig erhalten alle Institutionen zusätzlich einen Inflationsausgleich in Höhe von einem Prozent des Zuschusses pro Jahr.

In der Berliner Landespolitik ist auch längst verstanden worden, dass die Projektförderung mit landeseigenen Mitteln erst die Akquise von Bundesmitteln ermöglicht. Das führt beispielsweise dazu, dass die Bundesförderfonds die meisten Projektanträge aus Berlin erhalten und in der Regel auch viele dieser Projekte fördern. Bundesländer oder Kommunen, die ihre Künstler nicht oder nur ungenügend mit Förderungen ausstatten, müssen zur Kenntnis nehmen, dass dann wenige oder gar keine zusätzlichen Bundesmittel zu den Künstlern fließen.

Von den Steigerungen innerhalb des Berliner Kulturhaushaltes partizipieren natürlich auch immer die freien Tanzschaffenden der Stadt. Neben den zweijährigen Basisförderungen zwischen 50.000 und 100.000 €/Jahr, den regelmäßigen Einzelprojektförderungen zwischen 25.000 und 43.000 €/Jahr erhalten die drei international aufgestellten Kompanien mit kontinuierlich arbeitenden Ensembles deutliche Aufstockungen ihrer Haushaltstitel in 2016 und 2017, die ihnen bessere Planungssicherheit, Stabilisierungen ihrer Ensemblestrukturen, Akquise zusätzlicher Komplementärförderungen sowie internationale Co-Produktionen ermöglichen. Letztlich führen diese Etaterhöhungen auch zu ästhetischen Neuerungen, die wiederum internationale Gastspiele ermöglichen. „Sasha Waltz & Guests“ erhält eine jährliche Budgeterhöhung von 435.000 €, die „cie. toula limnaios“ 180.000 € und „Constanza Macras | DorkyPark“ 120.000 €. Diese drei kontinuierlich geförderten Kompanien existieren seit über 20 Jahren und gastierten in über 50 Ländern aller Kontinente und gehören somit zu den wichtigen Kulturbotschaftern Berlins und Deutschlands.

Einen spannenden Einblick in die Mechanismen der Tanzförderung gibt Günter Jeschonnek, ehemaliger Geschäftsführer des Fonds Darstellende Künste, in einem Interview vom Juni diesen Jahres: Interview mit Günter Jeschonnek

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