Spiritualität als Gesamtkunstwerk

„Stabat Mater“ von Gonzalo Galguera in Magdeburg

Gesangssolisten, Chor und Orchester gestalten mit den Tänzerinnen und Tänzern eine tänzerische Odyssee in die Spiritualität.

Magdeburg, 05/10/2015

Die neue Tanztheaterkreation von Ballettdirektor Gonzalo Galguera mit dem Ballett Magdeburg widmet sich Gioacchino Rossinis „Stabat Mater“. Gesangssolisten, Chor und Orchester gestalten mit den Tänzerinnen und Tänzern eine beeindruckende tänzerische Odyssee in die Spiritualität.

Das Chorfinale „Für immer und ewig, Amen“ krönt Gioacchino Rossinis „Stabat Mater“. Im Wechsel von Solo- und Ensemblesätzen wird in zehn Abschnitten wie in einem Gebet das Leid der Gottesmutter Maria am Kreuz ihres Sohnes Jesus beschrieben. Im Musikalischen des von Rossini vertonten religiösen Textes liegt das Dramatische. Die Komposition hat streckenweise viel Opernhaftes, das mit dem Sakral-Liturgischen zu einer einzigartigen musikalischen Wirkung verschmilzt.

Ballettdirektor Gonzalo Galguera nutzt diese Dramatik für eine tänzerische Erkundung des Zu-sich-selbst-Findens, des Übergangs vom Weltlichen zum Spirituellen. Dabei geht es dem Choreografen auf eine ganz besondere Art und Weise um Bewegungsmetaphern für alles Menschliche und Übermenschliche. In seiner Choreografie realisiert Gonzalo Galguera dies mit ungemein expressiven, von den Tänzerinnen und Tänzern mit technischer Brillanz und mit rasantem Tempowechsel vollzogenen, sich immer neu formierenden Tableaus. Da wirken die Tanzenden in den uniformen Einheitskostümen von Stefan Stanisic wie eine anonyme Masse auf Sinnsuche.

Galguera realisiert seine Sicht auf „Stabat Mater“ als eine Art Kommunikation zwischen Musik, den Chorsätzen und dem Solistenquartett, in den unterschiedlichsten musikalischen Formationen. Er bebildert durch die Bewegungen den liturgischen Text, indem er die TänzerInnen in Körperzwiesprache mit den Sängern treten lässt. Und im Chorfinale führt er den Chor aus seiner passiven Beobachterrolle in die Bühnenszene ein und bringt dadurch die unterschiedlichen Ebenen zusammen. Dieser stete Wechsel zwischen Innen– und Außenansichten ist ein beherrschendes Moment der Bühnenraumgestaltung, die Gonzalo Galguera selbst für seinen Ballettabend entworfen hat. Dieser Tunnel-Raum, dessen Seitenwände sich für die Chöre öffnen und schließen, ist durch Video-Projektionen von Jacopo Castellano in ständiger medialer Veränderung.

Durch das Zusammenwirken von Bewegungen und tänzerischen Aktionen mit den sich stets verändernden Projektionen werden die Texte des Stabat-Mater-Gebets auf eine ganz besondere Art und Weise bebildert.

Und hier zeigt sich eindrucksvoll die Vernetzung der unterschiedlichen Künste zu einem einzigartigen Erlebnis. Das Ballett Magdeburg überzeugt in den großen Formationen ebenso wie in einzelnen solistischen Abschnitten. Im Zentrum, als Metapher für alle Suchenden, Leidenden und Hoffenden, steht eine Frau, die den geschlossenen Raum tastend und suchend erkundet und Schritt für Schritt in eine Welt von Mystik und Spiritualität eintaucht, dabei von der „grauen Masse“ aufgesogen und zu sich selbst geführt wird. Lou Beyne gestaltet diese Suchende mit tänzerischer Bravour, technisch brillant und im Wechsel von Soli und expressiven tänzerischen Partnerbeziehungen ausdrucksstark. Daniel Smith ist ein sie begleitender Pilger und Antanina Maksimovich, Anastasia Gavrilenkova Adam Reist und Adríán Román Ventura agieren im Quartett.

Mit Hale Soner (Sopran), Sylvia Rena Ziegler (Mezzo), Felipe Rojas Velozo (Tenor) und Martin-Jan Nijhof (Bass) war das Solistenquartett optimal besetzt. Der von Martin Wagner einstudierte Chor überzeugte klanglich wie auch die Magdeburgische Philharmonie unter Michael Balke, wobei die ergänzenden Kompositionen von Benjamin Britten und Ralph Vaughan Williams durch Henning Ahlers (Oboe) und den Streichern der Philharmonie musikalisch zu einer einfühlsamen Hinführung zu Rossinis „Stabat Mater“ wurde.

Jubel und viele Bravi für ein wirkliches Gesamtkunstwerk.

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