„Goldberg Variationen oder Eine schlaflose Nacht“ von bo komplex. Tanz Stefanie Schwimmbeck und Olaf Reinicke

„Goldberg Variationen oder Eine schlaflose Nacht“ von bo komplex. Tanz Stefanie Schwimmbeck und Olaf Reinicke

Ein wunderbar leichtfüßiges Stück a la Buster Keaton

Pick bloggt über „Goldberg Variationen oder Eine schlaflose Nacht“ in der Bonner Brotfabrik

Die Produktion von bo komplex Bonn, Bärbel Stenzenberger und Olaf Reinecke, umschifft die Klippen des Bach‘schen Meisterwerks geschickt, indem sie die Musik nicht so ernst nimmt.

Bonn, 25/09/2015

In Bonn hat die neue Spielzeit begonnen mit einer kleinen Produktion, von der ich befürchtet hatte, dass man sich an den Goldberg-Variationen möglichweise verheben würde, obwohl ich kein übermäßig großer Fan dieser absoluten Musik bin. Und ich hatte befürchtet, dass man bei so einer kleinen Besetzung schnell an seine Grenzen stoßen würde. Aber Bärbel Stenzenberger und Olaf Reinecke umschiffen die Klippen des Bach‘schen Meisterwerks geschickt, indem sie die Musik nicht so ernst nehmen, wie sicherlich mancher Musikliebhaber es gern hätte. Der Untertitel heißt nämlich „oder Eine schlaflose Nacht“.

Wir sehen ein Paar in einer Loge rechts vor der Bühne, dass dabei, ist sich die Zähne zu putzen und bei der nächsten Lichtstimmung sehen wir es auf der Bühne erscheinen und senkrecht im Bett liegen, was ja schon mal absurd klingt aber doch so funktioniert. Und ab diesem Zeitpunkt wird nie ganz klar, ob sie tatsächlich keinen Schlaf finden oder doch mehr oder weniger im Albtraum – oder wenigstens traumartig – die kommenden 70 Minuten verbringen. Die erste halbe Stunde habe ich mich ziemlich amüsiert über die eine oder andere Plattitüde, wenn man z.B. im Schattenriss das Nachthemdchen der Partnerin Stefanie Schwimmbeck mit dem Schlafanzug von Olaf tauscht. Da hätte der Ausgangspunkt für ein heftiges Verwirrspiel sein können, aber soweit traut man sich nicht aus der Deckung, nein man findet sich wieder im Bett, dann auch mal in horizontaler Lage und sucht nach möglichst interessanten Lagen und es kommt auch zu einer schön choreografierten, sehr musikalischen Gemeinsamkeit, die den gesamten Raum nutzt, weit entfernt von dramaturgischen Fesseln, einfach nur, indem die Musik umgesetzt wird in Bewegung.

Schließlich liegt hier aber die Crux der Musik. Sie heißt nicht „Les petits rien“ und ist nicht nur eine halbe Stunde lang. Da muss einem schon sehr viel mehr einfallen als zu der eben genannten Musik von Mozart und die Goldberg Variationen bei aller Schönheit sind nicht so aufregend, als dass sie nicht doch mal durchhängen. Dabei fällt mir ein, dass Heinz Spoerli die Goldberg-Variationen in Basel choreografiert hatte, ehe er nach Düsseldorf ging und die Ballettdirektorin Sylvie Bayard mich fragte, wie ich es denn gefunden hätte, denn sie wollte das Stück für das Ballett der Deutschen Oper Berlin haben. Ich riet ihr davon ab, aber als ich später wieder mal in Berlin war, musste ich einsehen, dass es bei den Berlinern ein Riesenerfolg wurde, was auch das Verdienst der technisch außergewöhnlichen Tänzer war.

So kann man sich täuschen und wie schon gesagt, ich war mit dieser Spielzeiteröffnung in der Brotfabrik durchaus zufrieden, weil ich mir mal nicht den Kopf zerbrechen musste, was die Choreografin und die Interpreten, besonders Olaf Reinecke im Schlafanzug, denn wohl sagen wollten. Es war hier mal ein wunderbar leichtfüßiges Stück, das mich an Buster Keaton erinnerte, in manch blödsinniger Szene und die Perücken fand ich zur Abwechslung auch mal ganz schön. Die leichte Muse hat‘s immer schwer, ernst genommen zu werden, aber dem Premierenpublikum gefiel es. Ich traf eine Dame an der Bar, die das erste Mal den Weg in die Brotfabrik gefunden hatte, und sie war nicht die Einzige, die die beiden Tänzer und die Choreografin mit langanhaltendem Applaus belohnte. Wenn es einen echten Scout an der Oper Bonn gäbe, würde man diese Produktion in die Kammerbühne im Opernhaus einladen. Vielleicht würde es mit einem Pianisten für die Abonnenten noch mehr Spaß machen!

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