„Velocity“ vom Houston Ballet

„Velocity“ vom Houston Ballet

Dynamik, Tempo, Fokus

Das Houston Ballet zu Gast bei den Hamburger Ballett-Tagen

Sie kamen mit 35 Tänzerinnen und Tänzern, und sie eroberten die Herzen des Hamburger Publikums im Sturm

Hamburg, 09/07/2015

Sie kamen mit 35 Tänzerinnen und Tänzern, und sie eroberten die Herzen des Hamburger Publikums im Sturm: das Houston Ballet, fünftgrößte Kompanie der USA. Drei Stücke von jeweils einer halben Stunde Dauer des australischen Choreografen Stanton Welch, der gleichzeitig künstlerischer Leiter des Ensembles ist, hatten die texanischen Gäste im Gepäck: „Tapestry“ aus 2012, „Maninyas“ aus 1996 und „Velocity“ aus 2003. Ein klug gewählter Aufbau mit einem eindeutigen Höhepunkt zum Schluss.

„Tapestry“ zu Mozarts Violinkonzert Nr. 5 A-Dur (alle Musik kam vom Band, und leider waren die Interpreten auf dem Programmzettel nicht angegeben) ist eine lose Abfolge von Soli und Gruppenarrangements für zwei, drei, sechs und acht TänzerInnen. Sie schälen sich aus dem Dunkel des Bühnenhintergrunds, der mit langen Seilen in Gassen abgeteilt ist. Stanton Welch verwebt die Bewegungen der TänzerInnen zu immer wieder neu arrangierten Mustern, die sich rhythmisch an der Musik orientieren. Das ist für das Auge manchmal etwas ermüdend, weil es wenig Möglichkeiten hat, einen Ruhepunkt zu finden und auch, weil die Bühne relativ dunkel bleibt. So erscheint das Stück ein bisschen atemlos und getrieben – allerdings ungemein präzise und fokussiert getanzt von den durchweg exzellenten und technisch hoch versierten TänzerInnen.

Raffiniert dann der Beginn von „Maninyas“, das Welch zu einem Konzert für Violine und Orchester des zeitgenössischen australischen Komponisten Ross Edwards choreografiert hat: Eine Tänzerin schreitet aus dem dunklen Bühnenhintergrund mit erhobenen Händen langsam nach vorne und hebt dabei eine große Stoffbahn an, die vom Schnürboden herabhängt. Ihr folgen rechts und links zwei weitere Tänzerinnen. Das ist ebenso effekt- wie stimmungsvoll. Stanton Welch kombiniert hier fünf Paare in Violett, Rot, Blau, Grün und Braun zu einem abwechslungsreichen Reigen. Es ist ein Kommen und Gehen, ein Miteinander und Gegeneinander, ein Kreiseln und Abstoßen, ein Sich-Zeigen und wieder Verschwinden. Auch dieses Stück stellt hohe Anforderungen an das tänzerische Können, dem die zehn TänzerInnen aufs Feinste gerecht werden.

Unbestrittener Höhepunkt jedoch ist „Velocity“ zu Orchestermusik von Michael Torke. Eine furiose Huldigung an die traditionelle Balletttechnik, immer wieder gebrochen durch Händeschütteln, Kopfwackeln und schräge, kleine Zacken in den Bewegungen. Das erfordert eine exaktes Timing und höchste Präzision bei den 32 Tänzerinnen und Tänzern, die hier in atemberaubendem Tempo über die Bühne wirbeln. So kontrastreich wie die Kostüme (weiße Tütüs für die Damen, schwarze Ganzkörpertrikots für die Herren) ist die detailgenau ausgearbeitete gesamte Choreografie. Ein Bravourstück für diese Kompanie!

Es sind Gastspiele wie dieses, die dazu beitragen, Herz und Sinne zu öffnen für andere Eindrücke als die, an die wir schon gewöhnt sind. Mag sein, dass das Neumeier-geschulte Auge an so einem Abend das Tiefgründige, Erzählerische vermisst. Aber bei genauem Betrachten stecken auch solche Elemente in diesen, so ganz anders komponierten Choreografien. Und so bleibt dieser Abend als sehr eigenwillig und in sich stimmig im Gedächtnis.

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