„If at all“ der Kibbutz Contemporary Dance Company

„If at all“ der Kibbutz Contemporary Dance Company

Mitreißender Tanz

Pick bloggt: Gastspiel der Kibbutz Contemporary Dance Company in Bonn

Während ich in der Vorstellung dieses hochdynamischen Ensembles saß und mich bemühte, den Absichten des Choreografen und Chefs dieses Ensembles Rami Be'er zu folgen, fuhr mir plötzlich ein Gedanke durch den Kopf.

Bonn, 01/06/2015

Während ich in der Vorstellung dieses hochdynamischen Ensembles im Bonner Theater saß und mich bemühte, den Absichten des Choreografen und Chefs dieses Ensembles Rami Be'er zu folgen, fuhr mir plötzlich der Gedanke durch den Kopf, warum unsere Vorfahren Jean George Noverre das Ballett aus seiner Prunk- und leeren Formensprache herausholte und Rudolf von Laban zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine Lehre entwickelte, nach der es sehr wohl möglich ist, mit der menschlichen Physis, durch dessen ureigene Körpersprache, innere Vorgänge, die uns im wahrsten Sinne bewegen, einzusetzen, um auf der Bühne darzustellen, um was es den Interpreten und dem Erfinder des Stückes geht.

Nun gibt es sicher mit Recht Menschen, die in der einen oder anderen Ästhetik gar keinen Handlungsfaden verfolgen, sondern mit der Musik korrespondieren oder ohne eine musikalische Unterlage Bewegungstheater auf die Bühne bringen wollen. All jenes hat seine Berechtigung, und doch muss meiner Meinung nach der Zuschauer auf einen Weg mitgenommen werden, der das, was auf der Bühne passiert, nachvollziehen lässt und begleiten kann. Bei vielen Theaterbesuchen kann ich das nur selten erkennen, dennoch sind am Ende die meisten Zuschauer begeistert. Ich komme immer zu dem Schluss, dass dies der Erfolg der Tänzer ist, in ihrer Ausstrahlung, ihrer Kraft, auch Virtuosität, die den Menschen im Zuschauerraum gefällt. Und auch auf die Tänzer trifft das übrigens oft zu, dass sie höchst zufrieden, ja befriedigt sind, wenn sie körperlich besonders gefordert werden von der Choreografie und sie verschwitzt und müde von der Bühne schleichen.

Es ist ein Phänomen, das ich seit langem beobachte, dass in jenen Stücken die intellektuelle Seite nicht so wichtig zu sein scheint, offenbar für beide Seiten einer Aufführung. Ich müsste lügen, wenn ich sagen würde, dass dies auf mich gar nicht zuträfe. Körperliche Höchstleistungen sind bestaunenswert und mitreißend. Ist es nicht so, dass aus demselben Grund ein Publikum ins Olympiastadion oder in den Zirkus strömt? Findet man nicht den Frontmann bei einem Popkonzert besonders eindrucksvoll, wenn er am Schluss klatschnass und total am Ende von der Bühne abtritt? Ist es das, was wir im Theater sehen wollen? Brauchen diese Besucher nicht auch einen intellektuellen Anreiz, wenn sie diese Form der Unterhaltung und das ist es ja zunächst einmal, wählt?

Doch zurück zu „If at all“ – dem Gastspiel der israelischen Kompanie. Unter einem Vollmond auf schwarzer Bühne bewegt sich eine Tänzerin in kurzer schwarzer Tunika. Meine Assoziation war, dass sie eine Beziehung zu diesem Himmelskörper hat, die zwar nicht einzuordnen war, aber zumindest intensiv. Abgebrochen wurde dieses Solo vom Auftritt des zwanzig-köpfigen Ensembles, die Männer in langen Röcken, die Frauen in kurzen schwarzen Tunikas, von dem die Tänzerin zunächst kultisch und fast aggressiv umkreist wird. Die Solistin verschwindet mit den Frauen in einem kreisenden Abgang, während die Männer mit beleuchtetem Gesicht an der Rampe zu Boden gehen und nacheinander hinter den vorn Liegenden eindrucksvolle Soli tanzen.

Und hier nun beginnt die Crux des Stücks, das die Andeutung einer Atmosphäre zwischen Mond und dem, was auf der Bühne passiert, verlässt und immer lapidarer vor sich hin tanzt, wenn auch auf hohem Niveau und Kostümen, die zwar teilweise sexy, aber dann wieder fast bieder – aus welchen Gründen auch immer – sind. Der musikalische Höhepunkt ist eine Frauenstimme, die in Kindermanier einen englischen Text klagt, was zunächst Interesse erweckt, aber auf der Bühne nur lose Entsprechung hatte. Dieses Klagethema beherrscht den Rest, also die 2. Hälfte, und ging mir derart auf die Nerven, dass ich mit dem Gedanken spielte, mich davon zu machen. Das Bonner Publikum ist hart im Nehmen und zollte den Gästen stürmischen Applaus, was von den sympathischen Tänzern mit hoch erfreuten, dankbaren Gesichtern erwidert wurde.

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