„Sweet Tragedies“ - Ballett von Kevin O’Day, Bridget Breiner und Marco Goecke am Ballett im Revier

„Sweet Tragedies“ – Ballett von Kevin O’Day, Bridget Breiner und Marco Goecke am Ballett im Revier

Großer Tanz im Kleinen Haus

O'Day, Breiner und Goecke beim Ballett im Revier

„Sweet Tragedies“ von Bridget Breiners Ballett im Revier beeindruckt durch die tänzerische wie choreografische Qualität, vor allem aber durch die Homogenität der erst seit wenigen Monaten in dieser Formation zusammen arbeitenden Kompanie.

Gelsenkirchen, 18/05/2015

Da ist er ja doch noch, der pfiffige Rausschmeißer von Marco Goecke! Wird sein witzig-virtuoser „Lonesome George“ im jüngsten Programm des Ballett am Rhein in Duisburg artig von neuen Choreografien Young Soon Hues und Amanda Millers eingerahmt, so schicken nun „nebenan“ Bridget Breiner und ihr Ballett im Revier das Publikum mit „Sweet, Sweet, Sweet“ beschwingt aus dem Kleinen Haus von Gelsenkirchens Musiktheater im Revier nach Hause.

Mindestens 99 Luftballons türmen sich auf der kleinen Bühne. Auch wenn sie allesamt schwarz und nicht fröhlich kunterbunt wie in Nenas Song sind, triumphiert die Leichtigkeit über das düstere Ambiente. Zwei eng umschlungene Männer wühlen sich, selbstvergessen im innigen Kuss, durch die schwarzschimmernde Wabbelmasse. Dann taucht mal hier, mal dort einer oder eine aus den Kulissen auf und im Gummimeer unter oder streckt sich hoch, schüttelt Wuschelkopf und Glieder wie ein kladdernasser Hund. Paare walzen, andere rennen, hechten oder heben mal eben ab – wie am Schluss die Ballons, die ins Publikum schweben und die ersten Reihen förmlich überfluten. Schon während des Aufbaus konnte man im Pausenfoyer immer wieder mal dieses wohlbekannte „plopp!“ eines platzenden Ballons hören. So ging‛s auch weiter. Dazu gab‛s als weitere Geräuschkulisse hie und da ein Rascheln, Quieken, Seufzen oder einen Aufschrei und eine umwerfende Nonsens-Litanei.

„Sweet, Sweet, Sweet,“ entstanden 2005 in Stuttgart, ist eine von Goeckes frühesten Choreografien. Das, wie „Lonesome George“ oder auch „Äffi“, rund viertelstündige Muskelspielchen ist eins seiner populärsten Tanzstücke geblieben. Für Breiners kleine Truppe genau der passende Stoff zum Wachsen. Dabei zuzuschauen macht richtig Spaß, zumal dieser Abend den sechs Tänzerinnen und sechs Tänzern ja das Lesen dreier unterschiedlicher Handschriften abverlangt.

Fast ein bisschen zu ähnlich sieht Kevin O‛Days neues Stück „....with the lights on“ aus, das den Abend eröffnet. Allerdings schickt er nur zwei Paare auf die Bühne. Dass hier die Chefin selbst mit Ayako Kikuchi, Hugo Mercier und Junior Demitre auf der Bühne steht, ist eine freudige Überraschung. Den vorzüglich stimmigen Tanz von O‛Days sehr geschmeidiger und enorm athletischer Choreografie unterstreicht die grandiose Musik, „Dark Full Ride“ der Amerikanerin Julia Wolfe für vier Drum-Sets, unterbrochen von Klaviermusik des Minimalisten John Adams – eine Traumvorgabe für die rhythmisch gepolten Körper von Tänzern.

Neu zugeschnitten auf ihre aktuelle Kompanie hat Bridget Breiner „The Tragedies of Othello“ – ein großer Wurf! Shakespeares Tragödie hat sie auf die fünf Protagonisten reduziert und sich ganz auf deren emotionale Befindlichkeiten konzentriert. So gewinnt sie dem Drama sowohl in der Dramaturgie als auch in der Charakterzeichnung ihrer Tanzsprache ganz neue Akzente ab, die die Tänzer vorzüglich übermitteln. Ein wahrer Despot ist Othello (Ordep R. Chacon), ein völlig verstörtes Seelchen Desdemona (Rita Duclos), Cassio ein unschuldig verspielter Beau, der beide Frauen hofiert (José Urrutia), Jago ein brutal aggressiver, skrupelloser Macho (Valentin Juteau). Emilia, seine Ehefrau und Desdemonas Vertraute, verzweifelt an ihren Schuldgefühlen und der Trauer. Die überaus anmutige Nora Brown tanzt sie im anrührendsten Solo des halbstündigen Balletts.

Dieser neue Abend von Bridget Breiners Ballett im Revier beeindruckt durch die tänzerische wie choreografische Qualität, vor allem aber durch die Homogenität der erst seit wenigen Monaten in dieser Formation zusammen arbeitenden Kompanie.

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