Maja Plissezkaja zusammen mit Victor Barjkin in „Die Möwe“ (Florenz 1983)

Maja Plissezkaja zusammen mit Victor Barjkin in „Die Möwe“ (Florenz 1983)

Maja Plissezkaja tot

Pick bloggt: Die Königin der Ballerinen verstarb am Wochenende in München

Wie gerne hätte ich ihr zu ihrem neunzigsten Geburtstag im kommenden November eine Eloge geschrieben. Nun hat sie sich einfach so davon gemacht. Wo sie auftrat, war sie der Mittelpunkt in aller Bescheidenheit.

München, 03/05/2015

Wie gerne hätte ich ihr zu ihrem neunzigsten Geburtstag im kommenden November eine Eloge geschrieben. Nun hat sie sich einfach so davongemacht, was einem Skorpion, wie sie es war, gar nicht ähnlich ist. Wo sie auftrat, war sie der Mittelpunkt in aller Bescheidenheit und zumindest in Russland brauchte sie sich keine Standing Ovations arrangieren zu lassen –selbst als sie nicht mehr auf der Bühne auftrat, was sie allerdings noch bis vor zwanzig Jahren im Alter von 71 Jahren tat. Sie hat das Publikum in ihren Bann gezogen und die Russen liebten sie abgöttisch. Wenn sie nur den Zuschauerraum betrat, wurde sie in wenigen Sekunden bemerkt und, egal ob in St. Petersburg oder Moskau, stets wurde ihr Reverenz erwiesen.

Ende der fünfziger Jahre muss es gewesen sein, dass das Bolschoi Ballett in Hamburg ein Gastspiel gab und ich mit meiner Familie an der Ostsee in Sommerferien war. Ich hätte zu gerne die Assoluta Galina Ulanowa im „Schwanensee“ gesehen, bisher kannte ich das nur von einem Film. Aber wie an eine Karte kommen, für so ein sensationelles Gastspiel? Die Ulanowa war für eine Ballerina schon recht betagt zu der Zeit. Am Tag nach der Aufführung las ich in der Zeitung, dass sie aus Gesundheitsgründen abgesagt hatte, stattdessen Maja Plissezkaja eingesprungen war und einen triumphalen Erfolg verbuchen konnte. So tröstete ich mich damit, dass ich diese wesentlich jüngere „Ersatzballerina“ ja sicher noch einmal zu sehen bekommen würde.

Ich sah sie natürlich viel später als eine der raffiniertesten Carmen-Tanzdarstellerinnen, in der auf sie zugeschnittenen Choreografie des Kubaners Alberto Alonso zur großartigen Musik ihres Mannes, des Komponisten Rodion Schtschedrin, der die Bizet-Musik für das 1967 uraufgeführte Stück bearbeitet hat. Und was umso erstaunlicher ist, als „Der sterbende Schwan“ von Fokine, den dieser für Anna Pawlowa erdacht hatte. Für Plissezkaja blieb es ein Paradestück bis ins hohe Alter, und wer es je gesehen hat, wird diese scheinbar gelenklosen Wellenarme nie vergessen. Ob ich sie erst persönlich kennen gelernt habe, als ich sie für die Gala meines 10-jährigen Jubiläums am Staatstheater am Gärtnerplatz in München gewinnen wollte, kommt mir merkwürdig vor, aber mir fällt keine andere Gelegenheit ein. Ich suchte Kontakt zu ihrem Mann Rodion, mit dem sie seit 1956 verheiratet war. Neben dem erwähnten Carmen-Ballett komponierte er viele andere Ballette, Opern und Orchesterwerke.

Wir trafen uns im Bayerischen Hof, Rodion dolmetschte ins Deutsche, denn Majas Englisch war zu ungenau für wichtige Details, und schließlich wurden wir uns einig, dass sie die Isadora-Choreografie von Maurice Béjart tanzen würde, mit Kindern der Bosl-Stiftung, und sie schließlich vom „Sterbenden Schwan abließ. Die Einrichtungsprobe auf der Bühne des Prinzregententheaters in München wird mir für immer in Erinnerung bleiben: Maja erschien in Pumps, enger schwarzer Hose und einem weißen, enganliegenden Mohair-Pulli. Sie markierte sämtliche Wege und Schritte mit den Kindern, mit einer derartigen Aura, die sie meiner Erinnerung nach abends gar nicht erreichte – allerdings war ich nicht ganz zurechnungsfähig, weil ich die Moderation der Gala zu machen hatte.

Seit dieser Zeit waren wir ganz gut befreundet, was erst durch meinen Weggang aus München dünner wurde. Dennoch war ich dann in St. Petersburg Mitglied der Jury ihres Ballettwettbewerbs und zu meiner Geburtstagsfeier in der Reithalle kamen Maja und Rodion wider Erwarten! Und selbst wenn ich meinen fünfhundertsten Geburtstag zu feiern gehabt hätte, alle meine Freunde, und es waren derer viele da, wollten mit IHR aufs Foto. Ich habe auch immer wieder nach einem Stoff gesucht, den wir zusammen hätten machen können und als ich die „Irre von Chaillot“ ins Auge fasste, scheiterte es an der Musik von Marius Constant, die nicht für Orchester eingerichtet werden konnte.

Maja hat eine sehr gute Biografie geschrieben, die ich jedem ans Herz lege, denn sie beschreibt darin, was besonders aufschlussreich ist, ihre Jugend während der Stalin-Zeit und als Anfängerin am Bolschoi-Theater – mit welch messerscharfem Intellekt sie sich in ihrem Leben als Tänzerin und Primaballerina Assoluta durchzusetzen wusste! Und glücklicherweise wirkte sie, neben dieser Lebensbeschreibung, in vielen hervorragenden Filmen mit, und so bleibt dieses erfüllte Leben für uns weiter bewegend und in Bewegung lebendig.

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