Kevin O'Days „2 Gents“ am Nationaltheater Mannheim

Kevin O'Days „2 Gents“ am Nationaltheater Mannheim

Mit Strahlkraft

Pick bloggt: Über Ballettabende in Mannheim und Augsburg

Kevin O'Day sorgt mit einer Shakespeare-Komödie für beste Unterhaltung. „Dans ImPulse“ mit Choreografien von Marco Goecke, Georg Reischl und Stephen Shropshire erfreut mit kurzweiligen Stücken und hervorragenden Tänzern.

Augsburg / Mannheim, 16/04/2015
"Zwei Herren aus Verona" ist sicher nicht eines der großen Erfolgsstücke von Shakespeare, aber doch eine Komödie der besonderen Art - wie "Sommernachtstraum" ohne Mitsommer und geträumt wird auch nicht. Man ist eher pragmatisch, kommt gleich zur Sache. Wenn es sein muss, wechselt man, um ans Ziel zu kommen, auch mal das Geschlecht oder bedient sich krimineller Methoden, damals vorzugsweise in dunklen Wäldern. Das waren noch Zeiten oder besser sind, denn in Mannheim hat der Ballettchef Kevin O'Day aus dieser Komödie zwei Stunden deftige Unterhaltung gemacht. Mit einer sensationellen Big-Band, die die Auftragskomposition von Thomas Siffling aus dem Orchestergraben aufsteigen lässt und wenn's wichtig wird, wieder den Blick auf die Szene freigibt, wird das für sein Ensemble, das aus lauter Solisten besteht, zu einem durchaus erinnerungswürdigen Abend. Ob das dramaturgisch alles so stimmt, habe ich gleich ausgeklammert, weil Szene und Musik mich gefesselt haben, das spricht ja schon für sich. Und erst die Tänzer! Diese Vorstellung von "2 Gents" fand am Vorabend zur Matinee der Mannheimer Akademie des Tanzes statt, auf eben jener Bühne, aber ich wollte nicht Äpfel mit Birnen vergleichen, weshalb ich meinen Kommentar bis zum Abend des Augsburger Balletts abgewartet habe. Zwei Ensembles, die man durchaus vergleichen kann, was ihre Strahlkraft betrifft.

In Augsburg gab es nun einen Dreiteiler genannt "Dans ImPulse", was mich zunächst an frühere Zeiten in der Bayerischen Staatsoper erinnert hat, ehe Konstanze Vernon übernahm: 15 Minuten Tanz - eine halbe Stunde Pause - 20 Minuten Tanz - halbe Stunde Pause und dann nochmal 20 Minuten Tanz. Der große Unterschied: in München gab's heiße Himbeeren in der Pause, auf die man sich freuen konnte, in Augsburg freut man sich auf das nächste Stück. Eins war sogar auch heiß, nämlich ein Balanchine inspiriertes "Murmur and Spill" (whatever this title wants to tell us?), das erstmalig für mich zeigte, was das Damen-Ensemble dieser Truppe drauf hat. Jeder Spitzenschuh sitzt auf den Punkt, da wird nicht gefeilscht oder sich gewunden, sondern an diesen Punkten wird niemehr Gras wachsen und jemand muss absetzen, sondern die Choreografie von Stephen Shropshire schreibt es so vor. Man könnte durchaus länger oben bleiben. Dahinter sehe ich die Arbeit von Yseult Lendvai, der ehemaligen Ballerina aus Stuttgart, nun Ballettmeisterin in diesem Stück, ein Glücksfall. Das Herrenensemble sollte bei diesem Lob nicht zu kurz kommen, aber sie sollten sich nur in "Peekaboo" von Marco Goecke so bestechend zeigen, was in jedem Fall den Vergleich zur Sao Paulo Dance Company, für die das Stück kreiert wurde, nicht zu scheuen brauchen - im Gegenteil. Der mittlere Teil bestand aus "Verflixte Nähe", auch dieser Titel bleibt mir unerschlossen. Aber der innovative Wert dieses Stückes lässt viele Deutungen offen und das ist so wertvoll und angenehm im Gegensatz zu den beiden flankierenden Stücken. Hier sind nicht starre Gesichter unter Präzision gefragt, sondern fast kindliche Spielfreude mit Stühlen, die im Laufe der Zeit die Form verändern und in eine andere Lebensphase geleiten können. Jedenfalls ist das mein Verständnis dieses Stücks von Georg Reischl, der offenbar ohne den Tanz zu vernachlässigen, Theater machen wollte und das gelingt ihm mit Charme. Zudem ist es ein Rückblick auf das Tanzerbe der Nachkriegszeit, ohne Aufdringlichkeit, stattdessen fließt es nebenbei ein und macht einfach Spaß, Gene Kelly lässt von Weitem grüßen.

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