Staatliche Ballettschule Berlin: Elena Iseki und Justin Rimke; Isabell Arnke und David Iglesias (rechts)
Staatliche Ballettschule Berlin: Elena Iseki und Justin Rimke; Isabell Arnke und David Iglesias (rechts)

Zeit anzupacken

Pick bloggt: 40 Jahre „Deutscher Berufsverband für Tanzpädagogik“

Vor zwei Jahren, auf dem Höhepunkt einer Krise, wurde Ulrich Roehm, Erfinder all dieser Tätigkeiten des DBfT, mit dem Tanzpreis geehrt und für einen Neuanfang Günther Rebel zum Nachfolger gewählt.

Essen, 23/03/2015

Vierzig Jahre ist ja kein Alter, wenn man das vergleicht mit der Lebensspanne eines Egbert Strolka, der gerade doppelt so reif geworden ist. Er war übrigens mindestens die Hälfte der Zeit im Vorstand des „Deutschen Berufsverbands für Tanzpädagogik“ und sein Anliegen war stets, sich um die Verbesserung der Vorausbildung von Kindern in den privaten Ballettschulen zu kümmern – ein weites Feld, das durchaus nicht endgültig beackert ist, aber eigentlich Zündfunke für die Gründung des „Vereins der Ballettschulen“, wie er zuerst hieß, war.

Nach Stuttgart hatte auch eine Initiative von Alfred Braig-Witzel aus eben diesem Grunde eingeladen. Mit Hilfe von Anne Wooliams – Ballettmeisterin bei John Cranko und Leiterin der angeschlossenen Schule (aus der, um nur die wichtigsten aus jener Zeit zu nennen, Birgit Keil und Susanne Hanke hervorgegangen sind) – wurde damals ein Syllabus für Ausbildung an den Ballettschulen vorgestellt. Wie das bei solchen Treffen üblich ist, wurde kontrovers über das Vorhaben diskutiert und drohte wie das Hornberger Schießen zu enden. Ich habe mir erzählen lassen, dass bei der Gelegenheit Ulrich Roehm aufstand und aus seiner Tasche ein Konvolut an Schriften der Royal Academy of Dance (RAD) zog, es in die Runde zeigte und sagte: „Warum das Fahrrad neu erfinden, wenn hier schon alles Nötige vorhanden ist? Man müsste es nur ins Deutsche übersetzen.“ Natürlich hat auch das Protest nach sich gezogen, der sich bis heute nicht gelegt hat, denn die Methode/n, die den internationalen Tänzermarkt beeinflussen und an denen man sich als Tänzer sowie Pädagoge orientiert, bleiben natürlich je nach Herkunft die Beste/n.

Nach diesem Eklat wurde dann mit diesem Häuflein, das dabei war, der Verein gegründet und situierte sich in Essen. (Inge Stoffers, Ingeborg Kölling, Karin Wagner, Irma Krienitz waren wohl unter denen, die sich um Roehm scharten.) Aber auch unter ihnen wurde der RAD-Syllabus geteilt und besprochen. Strolka konnte sich übrigens nie dafür erwärmen. Ich halte das für Gefechte, die im Grunde nicht wichtig sind, wenn unterm Strich das Ergebnis stimmt: a plié is a plié is a plié – um den schönen Rosenstreit zu zitieren.

Der Verein hat jedenfalls gute Arbeit geleistet. Und nachdem er sich auch immer mehr zu einer Art Berufsgenossenschaft entwickelt hat, die sich traute, mit dem Riesen GEMA Verträge für die Mitglieder auszuhandeln, wurde der Zulauf natürlich groß. Wenn ich mich nicht irre, sind es heute über 800 Mitglieder. Die Fülle an Aufgaben wuchs: Seminare, nicht nur zur RAD-Methode wie am Anfang, sondern auch zur Waganova-Methodik, wurden angeboten und Oster- und Sommerkurse mit mehr oder weniger illustren Gastdozenten aus den Tanzmetropolen, die ihr Wissen weitergaben – daran hat sich bis heute wenig geändert. Daneben gab es ziemlich bald ein Mitgliederblättchen, das sich nach und nach zu einem Hochglanzheft mauserte. Die Diskussionen über die Wichtigkeit dieses Blattes nahmen nie ein Ende, was durch die enormen Kosten, die aus den Mitgliedsbeiträgen zu begleichen waren, bei den Versammlungen immer wieder zu scharfen Auseinandersetzungen geführt hat.

Einen ähnlich glanzvollen Auftritt hatte die Erfindung des Deutschen Tanzpreises, der am Anfang auch die Kasse stark belastet hat, später allerdings mit wachsender überregionaler Bedeutung zuerst durch IBM mit relativ großen Beträgen gesponsert wurde. Und auch die Stadt Essen erkannte den Werbe-Effekt für die Region. Trotzdem gab es immer wieder Mitglieder, denen die langen Diskussionen um den Tanzpreis und auch wohl die Preisträger einen Großteil der Zeit nahmen, und man sich mehr Zeit wünschte für Fragen zur Fortbildung und alles was damit zusammen hängt. Es wurden Arbeitsgruppen und anderes gegründet, um den Kontakt der Mitglieder in den Ländern zu intensivieren und sich mit den örtlichen Gegebenheiten auseinander zu setzen. Mit anderen Worten, der Konzern DBfT wuchs und schlingerte immer wieder durch schweres Wasser. Der Verband wurde Mitglied in allen wichtigen Gremien, die sich mit Tanz beschäftigen, und hat auch immer wieder Anstöße für deren Arbeit gegeben.

Vor zwei Jahren, auf dem Höhepunkt einer Krise (u.a. einer Finanzkrise), wurde der Erfinder all dieser Tätigkeiten, Ulrich Roehm, mit dem Tanzpreis geehrt und für einen Neuanfang Günther Rebel zum Nachfolger gewählt. Keine leichte Aufgabe für einen durchaus sensiblen und kreativen Künstler, der schon zwei Jahre vorher inoffiziell überall eingeschleust wurde - beispielsweise beim CID, der Unesco-Sektion, die sich mit Tanz beschaftigt. Rebel ließ es aber nicht dabei bewenden, sondern gründete eine Deutsche Sektion CID, die es schon vor vielen Jahren in Köln hätte geben sollen, durch zu großes Eigeninteresse der Mitglieder aber nie in Gang kam. In Münster, wo Rebel als Hochschuldozent lange unterrichtet hat und "so nebenbei" einige Bücher und Schriften über Jazztanz und Körpersprache veröffentlichte, betrieb er die große, eigene Schule RebelTanz. Er hat sie vor Jahren an seinen Sohn übergeben, der offenbar ein gutes Händchen hat, so dass sie weiterhin ein wichtiges Glied in der Münsteraner Kulturszene darstellt und Rebel Zeit für künstlerische Arbeit hat oder hier wesentlicher: für die Sanierung des DBfT.

Wunder dauern natürlich etwas länger, was wir gerade im Großen an der Griechenlandkrise sehen, wo viele Newcomer meinen, den Stein der Weisen im Sack zu haben. Der Typ ist Rebel nicht. Kein Großkotz, sondern einer der zuhören kann und im Verbund, die angesprochenen Probleme anfasst, und gerade das ist es, was das Klima dieses bisher nicht homogenen Verbandes braucht. Und damit hoffentlich aus dem Loch der Fast-Katastrophe auf dem Weg ist, sich zu konsolidieren.

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