„Haus, kein Haus“ von Antje Veslinger auf K3 Hamburg

„Haus, kein Haus“ von Antje Veslinger auf K3 Hamburg

Stabile Unstabilität

Antje Velsinger auf K3 - Zentrum für Choreografie in Hamburg

Reibungen zwischen Sound, Bild und Bewegung eröffnen ein abstraktes Forschungsfeld auf der Bühne. Antje Velsinger zeigt als zweite von drei ResidenzchoreografInnen ihr Stück bei „Haus, kein Haus“.

Hamburg, 18/03/2015

Auf der Bühne, begrenzt von zwei Wänden und zwei Tribünenseiten, die ein Rechteck zusammen bilden, befinden sich die zwei Tänzerinnen Antje Velsinger und Maya Weinberg sowie Janina Arendt (Bühnenbild und Videos) und Katharina Kellermann (Sounddesign). Verschiedenste Elemente gestalteten somit die Präsenz dieses Raumes, der sich eckig vor einem auftut und dem Auge keine weiten räumlichen Fluchtpunkte erlaubt. Geometrisch genau spiegelt sich ab der Bühnenecke eine weiße Leinwand und direkt daneben jeweils eine spiegelfolienartig aussehende, kleine Fläche. Zusätzlich befindet sich links weiter oben eine weitere Projektionsfläche. Ein Rucksack mit Steinen wird zum ersten auffälligen Objekt, als er kurz ein Stück über die Bühne getragen wird, sowie ein flexibler langer Stab der von Maya Weinberg zitternd auf dem Boden gehalten wird.

Immer wieder werden verschiedene Objekte benutzt und genutzt. An Gummiseilen werden die Kräfteverhältnisse der beiden Performerinnen gemessen und Distanz und Nähe austariert. Der Rucksack in die Luft gezogen und wieder der Gravität überlassen. Am anderen Ende eine Performerin. Zwei Stäbe als Propeller in die Luft gehoben, deren Bewegungen von den laufenden Körpern übernommen werden. Die projizierten Bilder im Hintergrund zeigen Naturgewalten, Szenarien von Explosionen, Schneebruch und Meereswellen. Auf der Soundebene hört man mal stapfende Schuhe im Schnee, mal Rauschen und Klacken, welches nicht direkt zuordenbar ist.

Dazwischen finden sich die beiden Tänzerinnen auf einer Bewegungsebene zusammen. Der Balanceakt, der wie eine Waage Gegenstände, Körperteile oder Sound hin und her bewegt, zieht sich durch den gesamten Abend. Die Performerinnen transformieren sich von intentionalen Objekten, die von einer Aktion zur nächsten gehen, Bilder und Sound innerhalb des Bühnengeschehens aktiv steuern oder Objekte manipulieren hin zu Körpern, die jeder Intention entzogen sind, da sie sich in die Logik der Umgebung komplett einfügen. Die Intention weicht dem Körper, indem sie sich im Gesamtraum auflöst. Immer wieder hat man das Gefühl, nichts schlägt tatsächlich einmal in eine Richtung aus, da sogleich das Objekt oder die Bewegung selbst wieder verändert wird und damit ewig neutral bleibt. Der Charakter der Aktionen und die Ästhetik erinnern an einen experimentellen Museumskontext, in dem gerne mal ausprobiert werden kann, nicht zuletzt durch eine sehr einheitliche, durchzogene farbliche Stimmung im Stück. An diese Stimmung passt sich auch das Kostüm von Kristin Gerwien an, die grauen Overalls mit leichten Akzenten öffnen einen Arbeitskontext und machen den Eindruck einer „praktisch-neutralen“ Ausstattung.

Dadurch entsteht nach einiger Zeit eine gewisse Ratlosigkeit. Man treibt ein bisschen durch den Abend, es reihen sich Bewegungen, Aktionen und Bilder aneinander, die immer auf ihren eigenen Ebenen verharren. Man fühlt sich, als würde sich das Stück nicht wirklich vorwärts bewegen, was den Aspekt der sinnlichen Erfahrbarkeit von Zeit gerecht wird und einem eine spezielle Erfahrung ermöglicht. Der Raum öffnet sich einem nicht, der Blick fühlt sich geometrisch ausgerichtet und festgesetzt an, was in einem das Gefühl gibt, Teil der architektonischen Struktur des Raumes zu sein, die auch die Handlungsstruktur der Performerinnen absteckt. Auch auf der Sound- und Bewegungsebene funktioniert eine Herauslösung und ein erneutes Einfließen in die vermeintliche Struktur des Abends sehr gut. Die Projektionen jedoch finden sich weder mit dem Gesamten zusammen noch wecken sie sinnliche Erfahrungen oder Erinnerungen, sondern bleiben auf eine abstrakte Weise Repräsentationen von Geschehnissen. Doch entwickeln sie auch keine Eigenständigkeit.

Die Waage, der ständige Wechsel von Aktion und Reaktion, Ursprung und Wirkung, die Mobilität des Stückes tritt klar hervor, Punkte des Stillstandes treten durch den Eindruck immer wieder neu initiierter Ausgangspunkte in den Hintergrund. Die Einzelteile finden sich oft nicht zusammen und manchmal zerfällt der Abend dadurch. Also doch Momente des Stillstandes?

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