Es geschehen noch Zeichen und Wunder

„Ein Abend für Birgit Keil“ am Staatstheater Karlsruhe

Eine außergewöhnliche Künstlerin wird geehrt und man verkündet: Der auslaufende Vertrag der Ballettdirektorin des Staatstheaters Karlsruhe wird um weitere vier Jahre verlängert!

Karlsruhe, 02/10/2014

Es geschehen noch Zeichen und Wunder: Eine außergewöhnliche Künstlerin wird geehrt und man klopft ihr nicht nur aus Anlass ihres runden Geburtstages auf die Schulter oder überreicht ihr eine Silbernadel, sondern der Hausherr, Laudator und Intendant Peter Spuhler, verkündet: Der auslaufende Vertrag der Ballettdirektorin des Staatstheaters Karlsruhe wird um weitere vier Jahre verlängert! Riesenapplaus! Und das bedeutet, dass viel besprochene Ballettwunder am Staatstheater Karlsruhe kann sich festigen und muss nicht wie das Stuttgarter Ballett nach dem Tod von John Cranko durch unvermeidliche Krisen gehen, um aus eigener innerer Kraft zu einer Kontinuität zu finden.

Ich werde jetzt nicht wie im bis auf den letzten Platz mit Festgästen gefüllten Auditorium, sämtliche Prominente und Wegbegleiter von Birgit aufzählen, denn das würde ausufern, wie es bei solchen Veranstaltungen unvermeidbar ist. Ich glaube mich zu erinnern, dass es sechs Laudatoren gab, die ihre Ansprachen offenbar abgesprochen hatten, indem sie nicht alle den Lebenslauf zur Grundlage ihrer Rede machten, sondern den Menschen, die Ballerina, die Professorin, die Stiftungsleiterin und nicht zuletzt die Ballettdirektorin. Auch diese Tatsache spricht für die Geehrte: Wer kann schon für so viele spannende Seiten gelobt werden? Dabei ist noch nicht erwähnt: Wiebke Hüster, die mit Birgit nach der Pause ein freundschaftliches Gespräch über das eben erschienene Buch im Henschel Verlag führte. Aber was wäre ein solcher Abend ohne Tanz? Und dieser war hochkarätig und wie zu hören war, hinter Birgits Rücken von ihrem Tanz- und Lebenspartner Wladimir Klos inszeniert, was zu zweitägigem Hausverbot für die Meisterin führte. Bravo Wladimir!

Auch das Badische Staatsorchester unter Leitung des Generalmusikdirektors Justin Brown ließ sich nicht lumpen und zollte der Jubilarin Tribut! Die herrliche Alicia Amatriain mit Partner Alexander Jones eröffneten mit dem vertrakten „Aus Holbeins Zeit“ die tänzerischen Beiträge und der Hauschoreograf des Stuttgarter Balletts Demis Volpi gab zu diesem Cranko-Stück einen eigenen choreografischen Kommentar, der sowohl für Cranko als auch für die Hauptperson des Abends gleichermaßen als tiefe Verneigung und Wertschätzung gelten darf. Weitere großartige Stuttgarter Solisten – Miriam Kacerova, Marijn Rademaker und Roman Novitzky – verneigten sich vor Birgit mit der wunderbar poetischen Choreografie „Spuren im Schnee“ aus Crankos „Brouillards“. Sicherlich ein Lieblingsballett von und für Birgit Keil.

Das Solistenpaar Elena Vostrotina und Raphael Coumes-Marquet war aus Dresden angereist und erwies mit einem kaum zu überbietenden Höhepunkt Referenz in einem der besten Pas de deux „In the middle somewhat elevated“ von William Forsythe. In dessen Uraufführung von Henzes „Orpheus“ hatte Birgit die tragische Eurydike dargestellt, eine ihrer erstaunlichsten Rollen, die man nicht vergessen wird ... Thiago Bordin, der Hamburger Startänzer – wie Alicia Amatriain von der Tanzstiftung gefördert – brachte sein Solo „Huf Huf“ mit, das er offenbar in schlaflosen Nächten erdacht hatte und das vielleicht schon von seinem Entschluss beeinflusst war, Hamburg zu verlassen und zum Nederlands Dans Teater zu wechseln. Eine mutige Entscheidung. Wir sahen aber noch ein großes Stück von Thiago zu Musik von Jean Sibelius, das eine sehr eigene Handschrift erkennen lässt, wenn auch der Übervater John Neumeier atmosphärisch zugegen zu sein schien – was kein Negativum ist! Von der Karlsruher Kompanie mit Flavio Salamanka und Bruna Andrade, stellvertretend für alle anderen, wurde dieses Werk durch ernsthaftes Engagement und großes Können zu einem unbestrittenen Erfolg.



Nun würde man denken, das war's. Aber der Knaller dieser Geburtstagsgala war das neue Ensemble-Stück "Presente" von Reginaldo Oliveira, Mitglied des Staatstheaters und Nachwuchschoreograf. Ein überaus mitreißendes Stück zu brasilianischen Rhythmen, denen man sich nicht entziehen kann, und so rutscht man auf seinem Sessel mit den Tänzern hin und her. Die haben offensichtlich Spaß an dem, was ihr Choreograf sich da hat einfallen lassen. Hoffentlich verliert Reginaldo diese Leichtigkeit nicht, sie ist so selten auf deutschen Bühnen. Dieses Stück war raffinierter Weise der Pausenschluss und nicht das Ende, sonst hätte man noch längere Standing Ovations, Lametta und noch mehr bunte Luftballons gebraucht. Die Rosen jedoch waren nicht zu überbieten.

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