„Ballet Revolución“ in der Semperoper Dresden

„Ballet Revolución“ in der Semperoper Dresden

Revolution auf Spitze

Begeisterung für das kubanische Ballet Revolución in der Semperoper

Alles da. Strenge, klassische Technik, neoklassische Eleganz, Elemente des modernen Tanzes, natürlich fernab aller missverstandenen Konzeptkunst, die sich der Freude an der Bewegung so gerne verweigert.

Dresden, 24/07/2014

Alles da. Strenge, klassische Technik, neoklassische Eleganz, Elemente des modernen Tanzes, natürlich fernab aller missverstandenen Konzeptkunst, die sich der Freude an der Bewegung so gerne verweigert. Hier sieht man das Gegenteil. Hier sprüht der Tanz vor Lebensfreude. Hier schlägt der Übermut Funken. Der Name „Ballet Revolución“ sagt es: wir drehen alles um, wir stellen die Konventionen auf den Kopf. Warum nicht auf Spitze Mambo tanzen, warum nicht Rap ganz unverhofft mit einer klassische Attitude kombinieren, warum nicht den Tango von superstarken Frauen dominieren lassen, um dann zu zeigen, wie zärtlich diese herrlichen Tänzerinnen sich bewegen können. Vier Tänzerinnen mit der Sängerin Noybel Gorgoy Reyes und ihrer berührenden Interpretation von Emeli Sandés Song „Read all about It“ - das sind nachdenkliche Momente, dazu Tanz mit schönsten neoklassischen Anklängen an die Musikalität der Bewegungen eines Altmeisters wie George Balanchine. Darauf folgt Kontrast: Elemente der Rap-Kunst, ein Übergang wie er aufregender nicht sein könnte, mit „Purple Rain“, Prince and The Revolution.

Ballet Revolución in Dresden, das ist ganz große Show und Unterhaltung der Spitzenklasse. Was den Tanz angeht ist das ganz wörtlich zu verstehen. Sprünge von einer Stilrichtung in die andere, von verblüffender Wirkung. Sie können es einfach, diese sieben Tänzerinnen und diese zwölf Tänzer, allesamt Absolventen der berühmten Escula National de Arte in Havanna, 1961 gegründet, hervorgegangen aus dem 1948 von Alicia Alonso und ihrem Ehemann und Tanzpartner Fernando Alonso begründeten privaten Ballet Alonso, seit 1959 das Ballet Nacional de Cuba. Fernando Alonso starb letztes Jahr im Alter von 99 Jahren, Alicia Alonso ist heute mit 94 Jahren noch immer aktiv, nicht zuletzt auch als kritische Stimme, wenn es um Einschränkungen künstlerischer und journalistischer Freiheiten geht.

Die kubanische Primaballerina Alicia Alonso brachte von ihrer Zeit am New Yorker Broadway und vor allem als Solistin beim American Ballet Theatre moderne Einflüsse in ihre Heimat. Sie verstand es, diese zu verbinden mit den tief in der Geschichte ihres Landes verwurzelten Tanztraditionen, seien sie zeremonieller oder aufbegehrender Art, und einen körperlichen Ausdruck revolutionärer Überlebensfreude zu schaffen. Alles aber, auch spätere Einflüsse aus Pop, Rap, HipHop oder Breakdance wird in dieser einmaligen kubanischen Tanzausbildung regelrecht grundiert durch die fundamentalen Anforderungen einer strengen, klassischen Ausbildung. Diese aber, auch das kann man gut beim Dresdner Gastspiel der kubanischen Kompanie sehen, öffnet sich vielen Einflüssen und so kann es eben sein und wie selbstverständlich wirken, dass die klassische Pirouette, jene wilde Drehung, mit ihrer raumgreifenden Ausrichtung, in den aus dem Stand explodierenden Moonwalk übergeht, wie wir ihn von Michael Jackson kennen. Aus den frappierenden Grand jetés oder einer Cabriole, jenen faszinierenden Flugbewegungen des klassischen Tanzes, können im nächsten Augenblick wirbelnde, bodennahe Varianten aus der HipHop- oder Breakdance-Szene werden.

Gleich zu Beginn des zweistündigen Abends, der wie im Flug vergeht, geben uns die Tänzer eine kleine Lektion. Sie führen uns in den Ballettsaal, klassisches Training an der Ballettstange, dann von der Individualität in die Gruppe, in die grandiosen, synchron getanzten Variationen, die uns ebenso verblüffen werden wie die athletische, mitunter artistische Sprungtechnik der Tänzerinnen und Tänzer.

Nach einer gänzlich klassisch-romantischen Variation, gewinnt die Show an Fahrt. Die Stile mischen sich, was sich am Ende ganz und gar nicht als wilder, gefälliger Mix erweist, sondern als ein großes Fest des Tanzes in seinen vielen Facetten, die längs nicht ausgeschöpft scheinen. Das ist ein schöner Nebeneffekt für alle Verächter des Spitzenschuhs - von wegen ausgedient. Die kubanischen Ballettrevolutionäre zeigen uns etwas anderes.

Klar, dieser Tanz hat starke männliche Komponenten: Wunderbare Machos mit Augenzwinkern, die plötzlich ganz in Weiß mit rosa Regenschirmen ihre Späße treiben oder als Designerclowns mit Modebrillen zu Spaßvögeln mit Sprungfedern werden. Und wenn man so gut gebaut ist wie Moisés León Noriega, dann soll man es auch zeigen. Oder wenn man so grandios, bei unwahrscheinlich hoher Technik der Beine, ganz leicht und elegant die Arme führt, und zugleich so konzentriert ist wie Yanier Gómez Noda. Der kann dabei auch noch mit minimaler Kopfbewegung flirten, und so wäre es sündhaft, dies dem Publikum vorzuenthalten.

Aaron Cash und Roclan Ganzales Chaves sind die Choreografen dieser fröhlichen Tanzshow. Jorge Ganzales hat nicht an glitzernder, direkter oder indirekter Körperbetonung bei den Kostümen gespart und die siebenköpfige Superband mit dem genialen Luis Palacios Galves, Congas und Percussion, der Sängerin Noybel Gorgoy Reyes und dem Sänger Weston Foster, mit Osmar Salazar Hernadez als Bassisten und musikalischem Chef, heizt ein, so dass man am Ende nicht immer genau weiß, ob der Tanz aus der Musik, oder die Musik aus dem Tanz kommt. Und genau so muss es wohl sein.

Ballet Revolución, Dresden, Semperoper, bis zum 3. August
 

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