„A short Odysee I Woman“ von Jelena Kostic

„A short Odysee I Woman“ von Jelena Kostic

Eine Braut auf der Flucht

Eröffnung des Festivals „Tanztausch“ im Leipziger LOFFT

Jelena Kostics „A short odyssee I Woman“ kommentiert „The Virgin‘s Voice“ von Reut Shemesh, worauf die Männer-Version mit „Go Tell The Woman (We Are Leaving)“ von Pia Meuthen folgt.

Leipzig, 23/06/2014

Drei Madonnen. Drei mal Hysterie. Abstürze, Zuckungen, krampfhafte Bewegungen, alles mit Heiligen-Attitüde bei mordsmäßiger Einsamkeit zu dritt. Missionarische Gesichter. Manchmal sportiv, dann eher punkig, ein bisschen Pussy, ein bisschen Riot. Jede für sich und alle zusammen auf dem Weg in den totalen Zusammenbruch mit selbstmörderischen Gesten. Dolchstöße, pantomimisch, immer in den Bauch. So suchen laut Programmheft drei Frauen nach ihrem Rollenbild in der westlichen Gesellschaft in der Choreografie „The Virgin's Voice“ von Reut Shemesh aus Köln.

Sie küssen sich, sie quälen sich, und am Ende sind sie da, wo sie waren, als es begann zum elektronischen Sound. Dessen Austauschbarkeit ist hoffentlich bewusst gewählt - manchmal nimmt er die Klagelaute der Leidenden auf, verstärkt sie oder lässt sie in einer Endlosschleife mit den Wiederholungen der Einleitung zum „Ave Maria“ in der Bach-Gounod-Fassung übergehen. Ganz und gar nicht überraschend ist die gesangliche Persiflage einer Tänzerin, und spätestens da hat sich der ganze Emanzipationstanz leider gänzlich ohne Augenzwinkern in den üblichen Comedy-Verballhornungs-Maschen verheddert.

So liegen Stärken und Schwächen nahe beieinander und das Publikum mag sich seinen Reim darauf machen, wie ernst es die Choreografin mit ihrer Widmung des Stückes meint, die den Frauen gilt - „die einmal zu viel gefühlt haben und deshalb eine selbstmörderische Handlung an einem sonnigen Donnerstag in Betracht zogen.“

Es ist Donnerstag, der 19. Juni, überhaupt nicht sonnig, die Eisheiligen kündigen sich an, das Festival „TANZTAUSCH“ im Leipziger LOFFT ist eröffnet.

Die Tauschpartner für die erste Leipziger Variante dieser Kölner Erfindung sind die Städte Köln und Tilburg, und aus Tilburg kommen die beiden anderen Stücke des dreiteiligen Eröffnungsabends.
Das Stück für Judit Ruiz Onandi von Jelena Kostic mit dem Titel „A short odyssee I Woman“ zu Balkan-Folklore-Sound wirkt mitunter wie ein solistischer Kommentar zum ersten Stück aus Köln. Tanztauschkonzept?

Eine Frau auf der Flucht, eine geschundene Braut im herab gerissenen Kleid. Als wolle sie ihr Gesicht schützen, wendet sie es immer wieder vom Publikum ab. Ein starker innerer Kampf findet seine optische Entsprechung im schmerzhaft scheinenden Foltertanz der Rückenmuskulatur. Manchmal verebbt die Energie in feminstischem Schreiten. Im Gestus einer Freiheitsstatue kommt mit entsprechenden Gesängen - „Star Spangled Banner“ - der Zusammenbruch. Traurige Konsequenz am Ende einer weiblichen Odyssee.

Es soll ja auch eine männliche Variante dieser Odyssee zu sich selbst von der Choreografin geben. Im weiteren Sinne eines Tanztausches wäre es sicherlich interessant gewesen zu sehen, was in den Blickpunkten choreografischer Brennpunkte austauschbar oder unvereinbar ist.

Im dritten Teil des Eröffnungsabends lässt eine Frau drei Männer tanzen. Die Tänzer Miquel de Jong, Miguel Fial Duran und der Akrobat Nickolas van Carven vollführen mit Lust und Können, was ihnen die Choreografin Pia Meuten abverlangt. „Go Tell The Woman (We Are Leaving)“ heißt der wunderbare Spaß für Herz und Muskelkraft. Drei Typen, korrekt gekleidet - in Anzug, Oberhemd, Krawatte, Socken, festes Schuhwerk, ein bisschen Managergehabe - lassen es krachen. Jeder will der Größte sein, die tollsten Sprünge machen und die eleganteste Figur. Bei den Sprüngen, ob im Salto rückwärts oder halsbrecherisch im schrägen Seitenformat kann van Carven ohne Konkurrenz punkten. Was das ironisch gebrochene Renommiergehabe angeht, schießen die Kollegen ihre Vögel in regelrechten Balztiraden ab. Ob als animalische Luftrammler oder bei den Versuchen, endlich in den aufrechten Gang zu kommen, tänzerisch ist da immer was im Gange. Sehr spaßig die Rituale: Hand ausstrecken, auf den Partner zugehen und dann um Haaresbreite dessen entgegengehaltene Hand verfehlen.

Klar, das sind Klischees, klar das sind die Versatzstücke im Zirkus der männlichen Eitelkeiten. Und bald gerät zumindest auch die Kleiderordnung in schönste Verwirrung und die sympathischen Machos in der tänzerischen Versuchsanordnung hecheln den brüchiger werdenden Bildern, die sie von sich zu haben meinen, immer atemloser hinterher. Aber das Konzept verdeckt nicht den Tanz. Die Bewegungen erzählen, die Sprünge verblüffen, nicht die Ideologie.

Mit bewundernswertem Feingefühl schafft es die Choreografin ihre einsamen Steppenwölfe doch immer wieder sehr nahe zusammenkommen zu lassen, Nähe bleibt jedoch höchstens Vision. Pia Meuthen reizt die Dreierkonstellation aus, nutzt den Raum und die individuellen Chancen ihrer Protagonisten. Diese wiederum machen gar keinen Hehl daraus, dass es ihnen offensichtlich tierischen Spaß macht, das Publikum zu verblüffen. Doch sie bestimmen, wann die Sache ein Ende hat. Denn dann ziehen sie die Hemden wieder an, dann knöpfen sie sich wieder zu, richten die Krawatte und schließen den oberen Knopf am Anzug. Danach gehen sie einsam ihre Wege und man hat sich nicht getäuscht: es liegt bei aller Aufgedrehtheit, bei allem Witz, bei aller Eleganz und Akrobatik doch ein liebevoller Hauch von Melancholie über diesem Tanz der wilden Kerle. Vielleicht sind Frauen doch die besseren Männerversteher?
 

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