Die schönste aller Welten?

Antoine Jully wird Chefchoreograf in Oldenburg

Nach der fast 50-köpfigen Kompanie des Ballett am Rhein wird er in Oldenburg eine Truppe von zehn Tänzern zur Verfügung haben. Aber das habe durchaus sein Gutes, so seine realistische Einschätzung.

Oldenburg, 22/05/2014

Als blutjunger Tänzer am Royal Ballet London versuchte sich Antoine Jully erstmals als Choreograf. Zurück in seiner französischen Heimat als Tänzer, Sänger und Schauspieler (in Marseille von 2002-05) entstanden „Cercle de vie“ und „The Waterfall“. Dann folgte der Wechsel nach Mainz zu Martin Schläpfer - und eine lange Pause für den Choreografen Jully. Als Schläpfer 2009 das Ballett am Rhein aufbaute, folgte ihm praktisch die gesamte Mainzer Truppe und bildete die zuverlässige Basis der doppelt so großen Kompanie. Schläpfer kreierte mehrere Partien für den Franzosen - darunter ein raffiniertes Solo auf Spitze in „24 Préludes“.

Aber irgendwann erwachte in Jully doch wieder die Lust zu choreografieren. Dass Schläpfer ihm die Möglichkeit bot, mit der großen Kompanie zu arbeiten, weiß der eher zurückhaltende, zierliche Tänzer sehr zu schätzen. Natürlich habe er von Schläpfer „unendlich viel gelernt“, anerkennt er. „Er ist ein Meister. Ich hoffe, dass ich nie etwas von dem vergessen werde, was ich von ihm bekam.“ Die Förderung durch Schläpfer war in der Tat fulminant. Mit größter Zuversicht setzte der Ballettdirektor Jullys Ballette, bevor sie fertig waren, an den Beginn von Programmen mit Meisterwerken von Balanchine, Cunningham und van Manen.

Drei Ballette entstanden in den letzten drei Spielzeiten: das köstliche Farbenspiel „Inside“, das ebenso quirlige, humorvolle „Rebound - Topple - Splash“ auf Strawinskys „Dumbarton Oaks“ und in dieser Saison „Hidden Features“, in dem Jully das Innenleben eines Computers erforscht und für beste Unterhaltung sorgt. Es wundere ihn immer wieder, dass die Leute über seine Stücke lachen, bemerkt er. Aber er versteht sich auf Überraschungseffekte und erfindet selbst für große Gruppen witzige Bewegungen. Nah am Puls der Zeit ist er auch immer, jongliert gekonnt mit moderner Technik und Techniken, neuen Theaterformen und Elementen wie Video und Projektionen. Frappierend ist seine Musikwahl. Oft entdecke er beim Surfen im Internet und auf YouTube fast vergessene Musik, verrät er - so etwa für „Hidden Features“ die Stücke für Streichquartett von Erwin Schulhoff und für „Inside“ die schön jazzige Musik des Letten Peteris Vasks.

Nun berief der designierte Oldenburger Intendant Christian Firmbach Jully zum Chefchoreografen unter der Direktion von Burkhard Nemitz. Das gesamte Jahresprogramm wird in seinen Händen liegen. Nach der fast 50-köpfigen Kompanie des Ballett am Rhein wird er in Oldenburg eine Truppe von zehn Tänzern zur Verfügung haben. Aber das habe durchaus sein Gutes, so seine realistische Einschätzung. Da könne man vielleicht persönlicher und experimenteller arbeiten. Aus hunderten von Bewerbern aus aller Welt engagierte er zehn. Es sei beklagenswert, bedauert Jully, wie viele hervorragende Tänzer keine Stelle hätten.

Drei Doppelabende wird er choreografieren, für das junge Publikum den „Kleinen Prinzen“ auf die Tanzbühne bringen und schließlich die 12. Internationalen Tanztage mitgestalten. Vielleicht ist er selbst am meisten gespannt, ob diese neue Karriere für ihn „funktioniert“. Sehr zuversichtlich jedenfalls klingt der Titel des Kammerabends, an dem sich die Tänzer mit kleinen Choreografien auf Musik ihrer Lieblingskomponisten vorstellen: „Die schönste aller Welten“.

Am 5. Juli nimmt Antoine Jully in Martin Schläpfers Choreografie „Requiem“ am Theater Duisburg Abschied vom Ballett am Rhein.

 

Kommentare

Noch keine Beiträge

Ähnliche Artikel

basierend auf den Schlüsselwörtern