„Othello“ von Estefania Miranda

„Othello“ von Estefania Miranda

Mord im Wasser

Estefania Miranda gibt mit „Othello“ ihr Debüt am Konzert Theater Bern

In ihrer ersten Choreografie als Berner Ballettdirektorin nimmt Miranda das Publikum mit auf eine Reise ins Seelenleben ihrer Figuren. Die Bühne ist eine Insel, umgeben von Wasser. Obwohl es Holzboote gibt, scheinen die Figuren auf dieser Insel gefangen.

Bern, 28/04/2014

Othello ist in seinen Erinnerungen und seinem Körper gefangen. Seine Bewegungen wirken automatenhaft, nicht zu ihm gehörig. Das Publikum erlebt am Konzert Theater Bern einen Othello, der sich in seiner eigenen unwirklichen Welt bewegt. „I’m an honourable murder“, spricht eine Stimme aus dem Off, die das Solo von Tänzer Winston Ricardo Arnon begleitet, „for naught I did in hate, but all in honour.“ Unter den Dramen Shakespeares ist „Othello“ dasjenige, das am heftigsten von Besitzverlagen zwischen Liebe und Hass handelt. Othello ermordet seine Geliebte aus Leidenschaft, angefacht durch eine Intrige.

Die Geschichte über den Kriegsherrn, dessen Hautfarbe ihn zu einem Fremden macht, diente der Berner Ballettdirektorin Estafania Miranda als Inspiration für ihren „Othello“. Sie zeichnet das Bild einer Gesellschaft, die sich zwischen Integration und Ausgrenzung bewegt. Die Bühne ist eine Insel, umgeben von Wasser. Obwohl es Holzboote gibt, scheinen die Figuren auf dieser Insel gefangen. Liebespaare treffen sich zum Schäferstündchen in den Schiffen. Alsbald tanzt jeder in seinem eigenen Boot, übernimmt sein eigenes Ruder. Ein Symbol für eine Gesellschaft als Schiffswrack, in der jeder sein eigenes Rettungsboot flüchtet?

In ihrer ersten Choreografie als Berner Ballettdirektorin nimmt Miranda das Publikum mit auf eine Reise ins Seelenleben ihrer Figuren. Sie erzählt Shakespeares Liebesdrama vom fremden Krieger und der Tochter aus gutem Hause in starken Bildern von Liebe und Hass, Treue und Verrat. Othellos Liebe ist ungestümes Besitzverlangen, dem er sich mit Hingabe widmet. Die Liebenden jagen sich durch den Wassergraben, der sich rund um die Bühne ergießt; sie lieben sich leidenschaftlich in einem Boot. Die Choreografin versteht es, Leidenschaften in Bewegungsbildern zu zeichnen, die nahe gehen. Die Liebe zu Desdemona macht Othello stark, doch macht sie ihn auch einsam.

Mirandas Othello ist gezeichnet von traumatischen Kriegsereignissen, er kann seiner Vergangenheit in der Fremde nicht entfliehen, die die Choreografin im in von Kriegen erschütterten Afrika ansiedelt. Videoprojektionen von Kindersoldaten projiziert sie als Zeugen heutiger Ereignisse an die Bühnenwand. Das Ensemble kriecht und robbt zu marschierender Tonkulisse. Othello ist immer stärker in minimalen, repetitiven Bewegungsmustern gefangen. Ausbrechen kann er, wenn er seiner geliebten Desdemona begegnet. Doch sein Reflex zum Töten ist grösser als die Liebe. „I know what has to happen“, ertönt die Stimme von Desdemona, getanzt von Maria Demandt. Nach einem Kampf um Liebe, Leben und Tod ertränkt Othello seine Geliebte im Wassergraben.

Mit „Othello“ sorgte das Berner Ensemble für einen intensiven Tanzabend, für den die niederländischen Künstler Jeroen Strijbos und Rob van Rijswijk die Musik komponierten. Entstanden ist eine Kulisse aus zeitgenössischer Musik, Textpassagen und Tonaufzeichnungen. Eine getanzte Geschichte, die Leiden und Leidenschaften des Helden verstärkt, und zu zeigen vermag, wie menschliche Körper von Affekten erfasst und erschüttert werden.
 

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