Anerkennung für die Pionierin mit großem Herzen für Tanz und Ballett

Deutscher Tanzpreis 2014 für Bertram Müller, Demis Volpi und Nina Hümpel

Im Foyer des eleganten Essener Aalto-Theaters war der Rote Teppich am Samstagabend auch für Nina Hümpel ausgerollt. Die Mitgründerin und Leiterin von tanznetz.de wurde bei der Gala zur Verleihung des Deutschen Tanzpreises 2014 „für ihre vorausschauende Pionierarbeit auf dem Gebiet des Tanzes“ mit dem Anerkennungspreis ausgezeichnet.

Essen, 09/03/2014

In der Begründung des Fördervereins Tanzkunst Deutschland e.V. heißt es weiter: „Mit der Nutzung des Internets gibt sie dem Tanz eine aktuelle Plattform und ermöglicht ihm eine überaus breitenwirksame Aufmerksamkeit“. Die Tanzszene bezeichnete Bettina Wagner-Bergelt, Stellvertreterin des Direktors Ivan Liška des Bayerischen Staatsballetts München, in ihrer Laudatio als „die innovativste unter allen Künsten“. Nina Hümpel trage diesem Aspekt durch ihre Pionierarbeit Rechnung und habe mit dem Tanznetz einen wertvollen virtuellen Treffpunkt von enormer inhaltlicher Vielfalt geschaffen, eine gute Alternative zu den Printmedien. Im Gegensatz zu diesen zeige sie das heterogene Bild der heutigen Tanzszene. 60 Produzenten habe sie vernetzt, liefere aktuelle Berichte aus den Metropolen der Welt wie auch aus der deutschen Provinz. Nach harten Jahren habe sie eine Erfolgsgeschichte geschrieben, weil sie ein großes Herz für Tanz und Ballett habe. Es sei höchste Zeit, dass die öffentliche Hand zumindest die dringend benötigten zwei halben Stellen finanziere, um die weitere Arbeit von tanznetz.de in dieser in Europa einzigartigen Form zu gewährleisten. Strahlend brachte Nina Hümpel Frische und Natürlichkeit in das Zeremoniell des Abends, dankte der Jury artig für die Anerkennung, teilte sie mit allen Mitarbeitern und (ehrenamtlichen) Mitstreitern der schreibenden Zunft und befand: „Deutschland hat eine tolle Tanzszene!“ Begeisterung löste ihr Tanzwunsch aus: vier Mitglieder der Junior-Kompanie des Bayerischen Staatsballetts München tanzten Richard Siegals „New 45“.

Weit über 1000 Gäste und rund 50 Tänzer und Tänzerinnen aus deutschen Theatern und der freien Szene feierten die drei Preisträger, neben Hümpel Bertram Müller (tanzhaus nrw) und Demis Volpi (Stuttgarter Ballett). Über vier Stunden dauerte die traditionelle Gala, nun allein verantwortet vom Förderverein Tanzkunst Deutschland e.V. unter dem Vorsitz von Jaš Otrin. Der neu gegründete Beirat, bestehend aus neun ehemaligen Preisträgern - darunter Birgit Keil und Heinz Spoerli - nominiert die Preisträger.

Mit Bertram Müller erhielt „ein Visionär und Brückenbauer, Bereiter der freien deutschen Tanzszene“ den diesjährigen Deutschen Tanzpreis, so Laudatorin Svenja Schulze, NRW-Ministerin für Innovation, Wissenschaft und Forschung. Schon als Gründer der Initiative für Laientanz „Die Werkstatt, Düsseldorf“ habe sich der studierte Theologe, Psychologe und Therapeut als „Ermöglicher“ und „Gründerpersönlichkeit“ erwiesen. Von der Garage wechselte er 1998 ins ehemalige Düsseldorfer Straßenbahndepot, um das „tanzhaus nrw“ als einziges seiner Art in Deutschland mit seinem vielfältigen Angebot von Hip-Hop bis zum professionellen Avantgardetanz aufzubauen und mit größter Umsicht zu leiten. Bis zu 3.000 Workshop-Teilnehmer und Zuschauer der Vorstellungen zeitgenössischen Tanzes aus aller Welt kommen heute wöchentlich ins Tanzhaus an der Erkrather Straße, 150 000 pro Jahr. Im Januar ging Müller in den Ruhestand „nach 70 Semestern Tanz-Studium“, wie er in seiner Dankesrede augenzwinkernd sagte. Bewunderung, Liebe und Respekt für den Tanz habe er stets empfunden und auch Mitgefühl für die harte Arbeit von Tänzern. Die soziale Dimension sei für ihn stets Triebkraft gewesen. Sein Appell: „Alle Tanzschaffenden der Welt - vereinigt euch! Nur gemeinsam sind wir stark und schön.“

Ausschnitte aus dem Ballett „Krabat“ nach Otfried Preußlers Jugendbuch - teils live getanzt von Marijn Rademaker und David Moore, teils verfilmt - demonstrierten eindrucksvoll das überragende choreografische Talent des 29-jährigen Argentiniers Demis Volpi, der den „Deutschen Tanzpreis Zukunft“ erhielt. Die Konrad-Adenauer-Stiftung dotiert den seit 2005 vergebenen Preis mit 3000€, während die beiden anderen Preise lediglich mit einer Ehrenurkunde ausgestattet sind. Volpi wird als neuer „großer Geschichtenerzähler“ gelobt und für seinen „überwältigenden Reichtum an Fantasie“, die „Sogkraft“ seiner Bilder sowie den „frischen, innovativen Umgang mit dem klassischen Tanzvokabular“. Freiheit sei synonym für Volpi, beobachtete Laudatorin Vivien Arnold, Leiterin der Dramaturgie und Kommunikation des Stuttgarter Balletts, und rief Volpi zu: „Bleib' hungrig, ein bisschen verrückt und frei!“ Volpi empfand die Auszeichnung als Ansporn und Ermutigung und versicherte „Es geht jetzt erst los!“

Vielfältiger als bisher fiel diesmal das tänzerische Programm aus. Mehr als ein Dutzend Solos, Pas de deux und Ensembleszenen zeigten die Bandbreite von Tanz heute in Deutschland auf. Neben den klassischen Kompanien aus Stuttgart und München lag der Fokus vor allem auf NRW-Kompanien, namentlich das Ballett am Rhein (Schläpfers „Quartz“) und im Revier (Breiners „Ruß“), Ballett Dortmund (Forsythes „The Vertiginous Thrill…“), Hagen (Fernandos „Voices“), Krefeld-Mönchengladbach (Norths „Carmen“) und Aalto-Balletttheater (Naharins „Deca Dance“ und Van Cauwenberghs „Non, je ne regrette rien“), dazu aus der freien Szene Hip Hop (Urban Spacies), Flamenco modern (Isreal Galván) und Tanztheater (Limnaios' „reading tosca“).
 

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