„Metamorphosis“ von Alexandra Rogovska und Bruno Caverna. Tanz: Alexandra Rogovska

„Metamorphosis“ von Alexandra Rogovska und Bruno Caverna. Tanz: Alexandra Rogovska

Sichtamputierte Fingerübungen

Young choreographers session im Begleitprogramm der Schau „Sasha Waltz. Installationen, Objekte, Performances“ im ZKM Karlsruhe

Choreografische Fingerübungen des Nachwuchses der Kompanie „Sasha Waltz & Guests“. Entstanden sind elf kurze Stücke – mehrheitlich Soli, drei Duette und zwei Gruppenstücke – die beim tanzaffinen Publikum großen Anklang finden.

Karlsruhe, 25/01/2014

Traumwandlerisch bewegt sich Claudia Catarzi durch eine Stille, die, kaum hörbar, nur durch elektronisches Knistern Struktur bekommt. In den Raum schleudert Alexandra Rogovska ihren zarten, geschmeidigen Körper, um als kreatürliches Wesen Stadien der Verwandlung zu erkunden. Ein Plädoyer für die Kraft der Träume und der Hoffnungen gleitet Maya Gomez zur Bluesharp von Steve Baker, biegsam wie eine Weidenrute und ironisch gebrochen, einer beschwipsten Balinesischen Tänzerin gleich über das Parkett. „Sul Punto“ der Italienerin Catarzi, „Metamorphosis“ der Ukrainerin Rogovska und „Believe“ der Schweizerin Gomez sind drei von elf Etüden, die als „Young choreographers session“ im Medientheater des Zentrums für Kunst und Medientechnologie (ZKM) Karlsruhe zu erleben waren.

Die „Young choreographers session“ ist Begleitprogramm der Schau „Sasha Waltz. Installationen, Objekte, Performances“, gedacht als choreografische Fingerübungen des Nachwuchses. Entstanden sind elf kurze Stücke – mehrheitlich Soli, drei Duette und zwei Gruppenstücke – die beim tanzaffinen Publikum großen Anklang finden.

Der Abend beginnt, frei von Medien und Technologie „Zwischen den Zeilen“ mit einer fünfminütigen Begegnung des Tänzers Piotr Tomczyk mit der Flötistin Carolin Hettler. Doch schon beim Duett entlang der Wand des Ganges, kündigt sich ein Problem an, das den Abend durchzieht: nur die erste Reihe, geschätzte 30 Zuschauer können etwas sehen. Der dahinter stehende Rest hört das Flötenspiel, das ebenso gut improvisiert sein könnte, erhascht einen Blick auf die Fußspitzen des vermutlich kopfstehenden Performers und hofft auf bessere Sicht bei den folgenden Performances im Medientheater.

Diese Hoffnung wird allerdings schon beim nächsten Stück getrübt. Das minimalistische Psychodrama mit Plastikflasche „Zeno & Nero“, eine spannungsgeladene, konfrontative Beziehung von Andreas Rama und einer ausdrucksstarken Matina Kokolaki, beginnt mit einer längeren Sequenz am Boden und liegt ab Reihe drei der viel zu flach ansteigenden Zuschauertribüne außerhalb der Sichtlinie des Publikums.

Zeitgenössischer Tanz nutzt den Boden. Einigen Choreografinnen war das Problem der schlechten Sicht offenbar bewusst, sie haben bodennahe Sequenzen in den hinteren Raumteil verlagert. So Claire Hurpeau, die in „Vibrant Landscapes“, leider etwas zu forciert, Impulse durch die fünf Tänzerkörper wandern lässt. Eine gut sichtbare, leicht verständliche Humoreske mit griechisch-folkloristischem Hintergrund kommt „The Fest“, choreografiert von Kyriaki Nasioula für sechs Tänzerinnen, beim Publikum besonders gut an. Ebenso die drei eingangs erwähnten Soli, die mit Bravorufen gewürdigt werden.

Den Performern der Ausstellung eine Gelegenheit zu geben, sich auch von ihrer kreativen Seite zu zeigen, ist mehr als eine schöne Geste von Sasha Waltz. Zeigt es doch, dass die gebürtige Karlsruherin das künstlerische Potential ihrer Tänzer-Crew zu schätzen weiß und Räume schafft, es zu entfalten. Umso bedauerlicher, dass die architektonischen Bedingungen seitens des Veranstalters suboptimal sind, der Abend letztlich den Eindruck sichtamputierter Fingerübungen hinterlässt.

Zu hoffen bleibt, dass mit dem riesigen Erfolg, den die, im Dezember vom Kunstnews Award zur Ausstellung des Jahres gekürte Ausstellung (vor Yoko Ono an der Frankfurter Schirn und Meret Oppenheim im Berliner Gropiusbau, die sich den zweiten Platz teilen) einen überfälligen Paradigmenwechsel einleitet vom Medienzeitalter zur neuen Körperlichkeit.

Grund zur Hoffnung gibt die Retrospektive zum 50. Geburtstag der Wahl-Berlinerin auch, da sie nach drei Monaten (am 31. Dezember) stolze 40.000 Besucher bilanzieren kann, was vermutlich nicht zuletzt der Attraktivität der Live-Performer zu verdanken ist – auch wenn, oder gerade weil die Performances der kostenintensivste Faktor der Ausstellung „Sasha Waltz. Installationen, Objekte, Performances“ sind. Wer die Ausstellung noch sehen will, muss sich beeilen, denn sie läuft nur noch bis 2. Februar - freitags ab 14 Uhr ist der Eintritt übrigens frei.
 

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