„We Do Not Turture People“ von Noa Shadur
„We Do Not Turture People“ von Noa Shadur

Schrecklich schön

Die Preisträger des 8. Internationalen Choreografie-Wettbewerbs „No Ballet“ in Ludwigshafen

In diesem Jahr zeigten sich auch deutlich die Schwächen des Konzepts: Durch die offene Ausschreibung kann sich jeder mit seinem Beitrag bewerben, der die formalen Kriterien akzeptiert

Ludwigshafen, 12/11/2013

Der Ludwigshafener Choreografie-Wettbewerb ist den Kinderschuhen entwachsen. Im achten Jahr der von Juliane Rößler mit viel Herzblut erdachten und durchgeführten Veranstaltung waren Teilnehmer- und Zuschauerzahlen, wie sie sein sollen: über 300 Bewerber aus 55 Nationen waren für einen der 16 Finalplätze angetreten, und eine siebenköpfige Jury - darunter die beiden Grandes Dames des deutschen Tanztheaters, Reinhild Hoffmann und Susanne Linke - vergab am Ende die Preise unter den acht Finalteilnehmern. Aber in diesem Jahr zeigten sich auch deutlich die Schwächen des Konzepts: Durch die offene Ausschreibung kann sich jeder mit seinem Beitrag bewerben, der die formalen Kriterien akzeptiert: Bewegungsmaterial, das nicht vom klassischen Ballett geprägt ist, eine Zeitdauer von höchstens 15 min und Tanz pur – außer Licht und Musik keine weiteren Elemente wie Bühnenbild oder Video. Diese Bedingungen werden von Newcomern im Choreografiegeschäft genauso erfüllt wie von erfahrenen Künstlern – die nicht nur ästhetisch attraktive Konzepte ausdenken können, sondern auch bessere Tänzer beschäftigen. Am Ende siegte im diesjährigen Wettbewerb nicht der künstlerische Mut, sondern die größere Erfahrung. An diesem Effekt könnte in Zukunft nur ein Überdenken der Teilnahmekriterien etwas ändern.

Weil eine attraktive Bewegungssprache den Tänzern sozusagen auf die individuellen Körper geschneidert wird, verwischen sich die Grenzen zwischen dem choreografischen und dem tänzerischen Anteil an einer Bewegung schnell. Ein typisches Beispiel dafür ist „Droga“ von Lucyna Zwolinska, die bereits jede Menge Prominenz in ihrem Lebenslauf nennen kann, unter anderem William Forsythe. Zu perlenden Klavierklängen und anfänglichem Regenrauschen ließ sie vier Männer (drei zierliche Asiaten und einen markanten Zweimeter-Glatzkopf) aufeinander treffen – toll getanzt und gut getimt, aber mit wenig Idee unter der perfekten ästhetischen Oberfläche. Dieser 2011 für den Choreografenwettstreit in Hannover konzipierte Augenschmaus war nicht nur der Jury einen zweiten Preis wert (5000 Euro), sondern heimste auch den Publikumspreis (1000 Euro und die Einladung von Kajo Nelles zu einem Auftritt auf der diesjährigen Tanzmesse NRW).

Ebenfalls eine längst arrivierte Künstlerin Noa Shadur, deren Dreipersonenstück „We Do Not Turture People“ von der Jury den Sieg und 7500 Euro zugesprochen bekam. Zwar mussten ihre Darsteller den Wettbewerbsregeln entsprechend ohne Video auskommen (sonst ihr Markenzeichen), aber eine israelische Künstlerin, die genau zum 75. Jahrestag der Reichsprogromnacht ein kritisches politisches Tanztheater macht – da musste die Jury vermutlich nicht allzu lange diskutieren. Und tatsächlich mixen ihre drei Protagonisten kindliche Unschuld mit hemmungsloser, übergriffiger Vereinnahmung und halten diese Spannung von der ersten bis zur letzten Sekunde.

Mehr Diskussionsbedarf gab es vielleicht um den dritten Platz (2500 Euro), der schließlich einem weiteren israelischen Künstler zugesprochen wurde: Nadar Rosano für das emotional aufgeladene Beziehungsdrama „Off-Line“, in dem sich seine Partnerin die Seele aus dem Leib tanzte.

Viel lustiger und vielleicht auch origineller ging es in einer anderen Beziehungskiste zu: Natasa Frantzi, eine wegen der Eurokrise kurzerhand nach Belgien ausgewanderte griechische Tänzerin, hat sich mit Partner Alex Kyriakoulis in „Behind the Body“ an der Aufgabe versucht, alles Überflüssige wegzulassen – da ist immer noch enorm viel übriggeblieben. Von seinen choreografischen Fähigkeiten hat schließlich das italienisch-spanische Duo Guido Sarli und Manuel Rodriguez den Grazer Ballettdirektor Daniel Toulon überzeugt, der die beiden für eine Produktion in der Reihe Tanz Nite eingeladen hat.
 

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