„Tim Acy“ von Antje Pfundtner

„Tim Acy“ von Antje Pfundtner

Laborergebnisse

Das 2. modul-dance-Festival ging in Dresden Hellerau zu Ende

Das 2. modul-dance-Festival stellte an zwei Wochenenden ganze acht Arbeiten vor, vier davon noch in der Entstehungsphase befindlich. Diese Mischung ging tatsächlich auf.

Dresden, 23/09/2013

Das Europäische Zentrum der Künste Dresden Hellerau versteht sich selbst nicht zuletzt als Keimzelle des kreativen Schaffens. Artists in residence, Experimente, Works in progess. Das 2. modul-dance-Festival stellte an zwei Wochenenden ganze acht Arbeiten vor, vier davon noch in der Entstehungsphase befindlich. Diese Mischung ging tatsächlich auf. Die fertigen Arbeiten, wie Antje Pfundtners wunderbar introspektiv-ironisches Solo „Tim Acy“ oder das verstörende „Siena“ von Marcos Morau / La Veronal (Spanien) standen in deutlichem Kontrast zu den Suchbewegungen, den Prozessen der Auseinandersetzung der noch nicht ausgereiften Stücke. In „FrouFrou“ durfte man beispielsweise Marie-Caroline Hominal (Schweiz) dabei folgen, wie sie versucht, sich am Stoff des Haitianischen Voodoos und dessen Ritualcharakter abzuarbeiten. Viel war dabei noch nicht zu sehen, aber man konnte einen Eindruck gewinnen, wohin die Reise gehen soll. Ihre typischen, illusionslosen Alptraumversatzstücke sind auch hier deutlich.

Der internationale Charakter des Festivals ist dessen großer Vorteil. Das Nebeneinander unterschiedlichster kultureller Einflüsse zeichnet ein Gesamtbild gegenwärtiger Darstellungsformen: Bewegungsvokabular speist sich immer wieder und immer mehr sehr konkret aus allen Kulturkreisen unter Wertschätzung deren individueller Züge. Der Begriff der Globalisierung liegt verführerisch nahe, würde der Komplexität der Arbeiten aber nicht in jedem Fall gerecht. Es ist eine Art psychologisch-kultureller Zugriff, der versucht, eine bestimmte Gesamtheit zu erfassen. Am besten gelingt das Patricia Apergi mit ihrer Aerites Dance Company aus Griechenland. Mit ihrer Uraufführung von „Planites“ liefert sie den definitiven Publikumsliebling des Festivals, indem sie fünf Tänzer, die individueller und unterschiedlicher kaum sein könnten, durch imaginäre urbane Landschaften schickt und sie in der Fremde als emotional Nackte den Witterungen aussetzt. Es ist beeindruckend, mit welcher Kraft und Energie die Tänzer den Raum ausfüllen. Sehr schnell wird deutlich, dass ihr vordergründiges Ziel ist, die Wände des Nancy-Spero-Saals einzureißen. Und das gelingt ihnen mühelos. Diese Getriebenen sind bei aller Stärke aber keinesfalls frei von Angst. Sie flüchten sich immer wieder ineinander, Schutz suchend. Sie schrecken zusammen unter scheinbaren Regentropfen. Oder unter etwas Anderem, das sie unerwartet von oben trifft. Die Reaktion wirkt durch ihren Symbolcharakter. Die Tänzer ziehen dabei durch die Welt in einer Art Durchqueren emotionaler Räume. Sie sind während dessen beieinander, miteinander, aber auch gegeneinander. Männliche Aggressivität findet hier in beeindruckender performativer Umsetzung eine Form von fast konstruktiver Energie.

„Planites“ überzeugt auch nicht zuletzt durch eine sehr sichere Form der dramaturgischen Führung, in der der Zuschauer in keiner Sekunde losgelassen wird. Unter Verwendung einer gesunden Prise Charme ist Patricia Apergi, eine emotional intensive wie ungewöhnlich intime Arbeit gelungen. Die überschwengliche Begeisterung des Publikums zeigte das deutlich.

Für Dresden stellt das modul-dance-Festival eine Besonderheit dar. Dass unbekannte Namen im Tanz nicht die großen Publikumsmassen anziehen, ist verständlich. Trotzdem wünscht man dieser Form des Festivals mehr Neugier und Offenheit. Die Tanzszene Dresdens ist hier bereits seit einigen Jahren auf genau dem richtigen Weg. Und das Publikum für derartige Veranstaltungen existiert definitiv. Vielleicht braucht es einfach nur noch etwas Zeit.
 

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