„First Cha“ von Ohad Naharin. Elisa Fraschetti, Igor Volkovskyy

„First Cha“ von Ohad Naharin. Elisa Fraschetti, Igor Volkovskyy

„Sir Gaga“ bittet zum freudetrunkenen Tanz

Ohad Naharin bringt mit „Deca Dance“ einen Riesenspaß ins Aalto-Theater

Naharin reist durch die Welt, um mit den unterschiedlichsten Ensembles kurze Episoden aus früheren eigenen Choreografien in sehr individueller, improvisationsreicher Art einzustudieren. In Essen ist erstmals ein 70-minütiger „Abendfüller“ aus einem Dutzend Szenen entstanden.

Essen, 29/04/2013

„Gaga“ nennt Ohad Naharin seine Bewegungssprache. Tatsächlich sieht ziemlich verrückt aus, was Denis Untila - lange, bevor alle Zuschauer im Aalto-Theater ihre Plätze eingenommen haben - auf der leeren Bühne vorführt an Torkeln, Wirbeln, Rudern, windschief zerknüllten Hand- und Kopfständen oder Beinverknotungen. Unübersehbar aber ist auch, dass in dieser „Man Impro“ ein Virtuose die ganz andere Kunst des Körperentertainments zelebriert. Gaga - das bedeutet auch im wörtlichen Sinn „ein bisschen abgedreht“. Für klassisch trainierte Tänzer ist es die Aufforderung, frei und aufgelockert in sich hinein zu horchen oder sich zu bewegen „wie eine Spaghettinudel in kochendem Wasser“ oder „einfach neben ihren Körper zu greifen“.

Chaplinesk tragikomisch wirkt das, mitunter freudetrunken - und ulkig, wenn die ganze Truppe in schwarzen Anzügen und Hüten wie orthodoxe Juden ins Parkett stürmt und Zuschauer auf die Bühne schleppt zum freien Diskotanz, Cha-Cha-Cha und innigen Tango. Was für ein Spaß! Naharin kennt den Effekt dieser Szene natürlich und lässt sie bei keiner Variation seines „Deca Dance“ aus. Kein bisschen „dekadent“ ist das, sondern eine Anspielung auf Naharins erste Dekade als Chef von Israels „Batsheva Dance Campany“. Seitdem reist der Choreograf durch die Welt, um mit den unterschiedlichsten Ensembles kurze Episoden aus früheren eigenen Choreografien in sehr individueller, improvisationsreicher Art einzustudieren. In Essen ist erstmals ein 70-minütiger „Abendfüller“ aus einem Dutzend Szenen in verschiedener Besetzung entstanden.

Jüdisch-folkloristisch geben sich die Ensembles „First Cha“ und „Echad mi Yodea“, verbunden durch das kurze Anklingen von „Hava Nagila“. Aus dem Rahmen fällt das orientalische Männerballett mit Derwisch-Touch „Black Milk“ nach einer rätselhaften Legende. Clownesk und super-jung kommen die Aalto-Ballett-Damen barfuß daher in bunten Tops und Leggings („Metronome“, „Humus“). Raffiniert wirken das „Mabul Duett“ mit Michelle Yamamoto und Denis Untila wie auch später das „Mabul Trio“ mit Elisa Fraschetti, Yulia Tsoi und Igor Volkovskyy, das in den finalen „Danz“ für alle mündet. Davor war gerade die letzte Zuschauerin per Verfolgerscheinwerfer auf ihren Platz geleitet worden und das Publikum etwas perplex über das zarte Finale nach dem turbulenten Höhepunkt mit dem „Volkstanz“. Jubelnder Applaus brauste zum Schluss auf für die originelle Kunst von „Sir Gaga“.
 

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