„Kameliendame“ von John Neumeier. Tanz: Lucia Lacarra

„Kameliendame“ von John Neumeier. Tanz: Lucia Lacarra

Knallbonbon-Gala

Bayerisches Staatsballett präsentiert „Terpsichore“ XI

„Terpsichore“ - Gala im Münchner Nationaltheater präsentierte sich als Reise durch Genres und Stile. Tänzer mit Superstarqualitäten waren zu Gast in München.

München, 28/04/2013

Ach, die gute alte Knallbonbon-Gala! Für das Bayerische Staatsballett ist die Messlatte aber seit langem: der hohe künstlerische Anspruch. Davor natürlich Respekt. „Terpsichore“ XI im Münchner Nationaltheater präsentierte sich als Reise durch Genres und Stile, bis hin zu dem nach der Schreckensherrschaft der Roten Khmer wiederbelebten klassischen Tanz Kambodschas. Das in seinem grazilen Minimalismus beeindruckende, für westliches Gala- und Zeitempfinden allerdings sehr lange Tanzsolo „Apsara“ („Botin der Götter und Ahnen“) war hier so etwas wie eine Hommage an König Norodom Siharmoni, der, wie Staatsballettchef Ivan Liska verriet, sein Studienkollege am Prager Konservatorium gewesen sei.

Der Abend insgesamt war seiner Prima Lucia Lacarra gewidmet, die, weltweit umworben, dennoch seit zehn Jahren München die Treue hält. So sah man Lacarra, die jeder Rolle ein immer von innen heraus geströmtes Profil gibt, gleich zu Beginn in George Balanchines „Agon“ (1957): ein kristallin klares Instrument der verschlungenen Körperornamentik des großen Neoklassik-Meisters; am Ende hochdramatisch in John Neumeiers „Kameliendame“ (1978 ); nach der Pause mit Ehemann Marlon Dino als Rhythmus-getriebene Live-Skulptur in Russell Maliphants „Two Times Two“ (2003). Die dynamisch feuernde Motorik der Interpreten, das Hell-Dunkel-Licht, die dumpf hämmernde Musik (Andy Cowtown vom Band) – atemberaubend zeitgenössisch. Und der Jubel danach groß. Diesen Maliphant am Ende und sonst einiges weggelassen, das hätte d i e Ballettwochen-Gala ergeben. Aber sieben weitere Nummern verursachten zwischendurch schon mal beträchtlichen Spannungsabfall. Myron Romanul und das Staatsorchester kämpften sich tapfer durch die Musiken von Auber, Delibes, Drigo und Pugni, Glasunow, Prokofjew und Strawinsky.

Pas de deux aus dramatischen Handlungsballetten sind als Gala-Nummern immer riskant. So zum Beispiel der Pas de deux aus Christopher Wheeldons „Cinderella“. Der international gefragte Brite gehört zu den raren Tanzschöpfern, die noch Erzählballette choreografieren können. Hier kommen weder er noch seine Protagonisten noch die beiden Solisten vom Amsterdamer Het Nationale Ballet zur Wirkung. Ein Glücksfall die Balkonszene aus John Crankos „Romeo und Julia“ – weil die Berliner Staatsballett-Solisten Iana Salenko und Marian Walter dieses nächtliche Stelldichein so harmonisch vollkommen in Technik und Ausdruck tanzten.

Ein historisches Juwel ohne Zweifel ist das von Liška erworbene „Birthday Offering“ von 1956, eine deutsche Erstaufführung und Aufstockung des schon beachtlichen Münchner Brit-Repertoires. Es war Sir Frederick Ashtons Gratulationsstück zum 25. des Londoner Sadler's Wells, das prompt in den Adelsstand „Royal Ballet“ erhoben wurde. Ashton schnitt einfühlsam seine Damen-Variationen auf die je individuellen Stärken – hier Sprungkraft, da Balance oder Allegro-Tempo – der damaligen sieben Top-Ballerinen zu. Umrahmte sie mehr oder weniger dekorativ mit gleicher Zahl an Herren, die in den 50ern technisch noch etwas unterlegen waren. Deren Mazurka, mit immerhin vertracktem Fuß-Vokabular wie den „entre chats six“, diesen mehrmals battierten kleinen Sprüngen, wurde hier blitzsauber getanzt. Vor allem von den Jüngeren im Septett. Demi-Solist Léonard Engel, schon länger aufgefallen, würde man gerne einmal in einer größeren Rolle sehen. Sehr zuverlässig, teils auch spritzig die Damenriege in Ashtons edel-kniffligen Soli. Eine Star-Aura hatte nur Lisa-Maree Cullum, die den einst für Margot Fonteyn kreierten Part tanzte.

Die Super-Starqualitäten erlebte man bei den Gästen vom St. Petersburger Mariinsky Ballett: Die pikante Ekaterina Osmolkina – vor Jahren schon bei einem Gastspiel im Prinzregententheater in Balanchines „Jewels“ bewundert – glitzerte mit Maxim Zyuzin den „Talisman“-Pas de deux von Petipa (1955 neu von Pjotr Gusev) auf die Bühne. Und in Victor Gsovskys „Grand Pas Classique“ zeigten die hochgewachsene kühl-stählerne Oksana Skorik und der auch bei allerschwersten Schrittsequenzen ganz natürlich strahlende Timur Askarov, was Russland von seinen Stars erwartet: eine mit aristokratischer Eleganz hingeblätterte Virtuoso-Technik. Diese „Mariinskys“ sind – Gala.

Heute noch „Forever Young“ mit Stücken von Massine, Limón und Maliphant, 19 Uhr 30
 

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