„Tanzhommage an Queen“ von Ben Van Cauwenbergh

„Tanzhommage an Queen“ von Ben Van Cauwenbergh

Rockmusik und Spitzentanz

Die „Tanzhommage an Queen“ beim Ballett in Chemnitz

Der Vorhang geht auf. Musik „God Save the Queen“, auf der Bühne ein Turm, eingehüllt in die Flagge des Vereinigten Königreichs von Großbritannien. Aber das ist ja gar kein Turm!

Chemnitz, 15/04/2013

Das ist ein imperialer Phallus, von Lichtern gekrönt, Symbol der Macht und der Befreiung zugleich. In den Sechzigern und Siebzigern, nicht denkbar ohne die Macht der Musik, nicht denkbar ohne sexuelle Konnotationen.

Und nach den Revolutionen des Rock steigt er auf, vermischt den Hüftschwung von Elvis mit seinen eigenen, unverwechselbaren Haltungen, schwingt das Mikrophon wie ein Zepter und mischt im Gesang seiner so vielgestaltigen, wie unwahrscheinlich gut geführten Stimme die Stile aus Klassik und Gegenwart: Freddy Mercury. Die Band Queen − das ist er und Queen ist Freddy Mercury, 1946 in Sansibar geboren, 1991 in London gestorben. So wie er Kostüme, Frisuren, Masken und Outfits wechselte, so tanzte er auf einem Vulkan aus Leidenschaft und Zärtlichkeit.

Eine „Hommage an Queen“, welche der Künste wäre besser geeignet als der Tanz, das Ballett, die wilden Sprünge, die irren Drehungen, der krachende Spaß in den Travestien oder auch die Duette der Partner, bei denen das Vertrauen so wichtig ist. Insbesondere die Verlässlichkeit sich fallen zu lassen, weil der andere da ist und den Partner oder die Partnerin auffängt. So wie Mercury mit Queen den Übermut musikalisch feiert, so feiert der Tanz diese Sehnsucht nach Freiheit und den grenzüberschreitenden Sprung in die Vision der Schwerelosigkeit.

In Chemnitz feierte das Publikum zur Premiere den Ballettabend „Hommage an Queen“ des belgischen Choreografen Ben Van Cauwenbergh. Er ist derzeit Chef des Aalto-Ballett in Essen, er kreierte die Hoammge 2004 in Wiesbaden, die er inzwischen mehrfach wieder aufgenommen hat. Noch ist es vielleicht etwas ungewohnt im Opernhaus dann zu klatschen, wenn einem augenblicklich danach zumute ist. Noch ist man zögerlich, aufzustehen und − warum nicht − in Schwingung zu geraten, die Arme hoch zu reißen, mitzusingen.

Das bringt die Heiligkeit des Hauses nicht ins Wanken. Beim „Parsifal“ ist man wieder froh, dass man sitzen kann. Aber es ist gut, wenn auch an diesem Ort die willkürlichen Grenzen zwischen „E“ und „U“ mal eingerissen werden, zumal man hier nicht übersehen kann, wie hart der Weg für Tänzerinnen und Tänzer ist bevor ein so unterhaltsamer Abend auf die Bühne kommt. Und wer sagt denn, dass dem Spaß die Tiefe fehle. Tief genug ist der Held des Abends, Freddy Mercury, in seinem Leben abgestürzt, und hoch genug hat er mit seiner Musik immer wieder Menschen aus der Tiefe alltäglichen Stumpfsinns in die Höhe der Lust des Augenblicks gerissen.

In Chemnitz wird getanzt was das Zeug hält. Ob Solistinnen und Solisten, einzeln, im Duett, in der Gruppe, mit der ganzen Kompanie, es macht einfach Spaß zu erleben, wie die Lust an der Bewegung auf die Spitze getrieben wird, ganz wörtlich, beinahe klassisch, im Spitzenschuh, bei eleganter Neoklassik, Nadja Nord und Erkan Kurt zu dem Titel „Love of My Life“. Überhaupt der Tänzer Erkan Kurt, er hat den Hauptpart des Abends, ob expressiv in den Sprüngen, zurückgenommen in lyrischen Passagen, eine so bewegende wie bewegte Korrespondenz zu den schroffen Brüchen in den Stimmungen der Musik. Ausgesprochen eindrücklich das Duett von Andrew Bader und Tuomas Hyvönen als Paradiesvögel in blau. Nicht erst über den Wolken sollte die Freiheit der Liebe grenzenlos sein − der Tanz, die Musik, die von Mercury besonders, brechen eine Lanze. Natürlich darf ein Hit wie „Bohemian Rhapsody“ nicht fehlen, gesteigert durch den Tanz von Anne-Frédérique Hoingne und Timo Korjus.

Wie zu erwarten tanzt Valentin Juteau einen coolen Gangster in „The Invisible Man“ und verblüfft durch seine grandiosen Sprünge bei völliger Dunkelheit. Er fliegt tatsächlich durch die Luft wenn ihn ein Spot im Flug erwischt. Es müssten jetzt eigentlich alle 21 Namen der Tänzerinnen und Tänzer aus der von Lode Devos geleiteten Kompanie folgen, die an diesem Abend zu erleben sind, in dieser „Hommage an Queen“, die am Ende in den von Christiane Devos kreierten Kostümen in den Himmel der Bühne von Dimitrij Simkin führt, wo der übergroße gestürzte Freddy Mercury die Faust in die Höhe reißt und „The Show Must Go On“ ins Mikrophon singt.

Wie das funktioniert haben wir erlebt, und eben auch, dass es weiter geht. Denn die von Armin Frauenschuh einstudierte Gruppe der Elevinnen und Eleven der Chemnitzer Opernballettschule zeigen es zur Freude des Publikums, ganz besonders beim kleinen Solo des jungen Luftgitarrenrockers.

Nicht unwesentlich sind die Videozuspielungen von den mitunter bizarren Auftritten des Helden und der Band. An den Collagen mag der Zahn der Zeit ein wenig genagt haben. Toll aber die Chemnitzer Zugabe, „We Are The Champions“, dazu Einspielungen aus dem harten Alltag des Ballettsaales, aus den Bereichen der Technik und der Werkstätten, so wird die „Hommage an Queen“ zu einer Hommage an das Theater, insbesondere an den Tanz. Das Publikum jubelt. 20 Vorstellungen sind angesetzt, beim jetzigen Stand der Nachfrage sind Zugaben nicht ausgeschlossen.
 

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