Romantisches Ballett hoch drei

DVD Box Opér National de Paris – The Ballet Classics mit „Coppélia”, „Paquita” und „Giselle”

Mit insgesamt 281 Minuten purem Seh- und Hörvergnügen huldigt Arthaus Musik mit der DVD-Box OPÉRA NATIONAL DE PARIS – THE BALLET CLASSICS dem Romantischen Ballett.

Arthaus Musik, 08/04/2013

Mit insgesamt 281 Minuten purem Seh- und Hörvergnügen huldigt Arthaus Musik dem Romantischen Ballett: Die DVD-Box OPÉRA NATIONAL DE PARIS – THE BALLET CLASSICS beinhaltet die Werke „Coppélia“, „Paquita“ und „Giselle“, die allesamt zu den weltweit beliebtesten Balletten zählen und im Laufe der Jahrhunderte nichts von ihrer romantischen Faszination verloren haben. Zugleich verweist diese Auswahl auf das historische Tanzerbe, das das Ballett der Opéra National de Paris seit jeher pflegt.

Die Ballettkomödie „Coppélia“, 1870 von Arthur Saint-Léon nach der Vorlage von E.TA. Hoffmanns „Der Sandmann“ choreografiert, spielt im − für Pariser Verhältnisse − fernen und somit exotischen Galizien. Leo Delibes melodisch-schmissige Komposition weist dementsprechend einen starken Einschlag osteuropäischer Folklore auf und reißt dank seiner orchestralen Plastizität den Hörer mit. Für Unterhaltung sorgen gekonnt gespielte pantomimische Einlagen als auch die vielen Volkstanzeinlagen (Walzer, Mazurka, Csárdás, Bolero).

Das Besondere an vorliegender „Coppélia“-Fassung ist, dass diesmal die Kleinen ganz groß rauskommen. Es tanzen nämlich die Schüler der L’École de Danse de l’Opéra de Paris mit einer solchen Leidenschaft und tänzerischen Perfektion, dass deren souveräner Auftritt dem ihrer großen Vorbilder in nichts nachsteht. Die beiden Hauptdarsteller Charline Giezendanner (Swanilda) und Mathieu Ganio (Franz) waren zum Zeitpunkt der Live-Aufnahme im Jahr 2001 gerade mal 16 Jahre alt. Inzwischen tanzt Giezendanner selbstverständlich immer noch auf der Bühne des Palais Garnier und Mathieu Ganio darf seit 2004 den Titel Étoile tragen. Dr. Coppelius wird von der französischen Tanz-Koryphäe Pierre Lacotte verkörpert. Jener führte neben der bis 2004 amtierenden Ballettschulleiterin Claude Bessy auch Regie.

Neben dem informativen Booklet in englischer, französischer und deutscher Sprache wartet auf den Zuschauer ein besonderes Bonbon: In der knapp 50-minütigen Dokumentation „Les Enfants de la Danse“ dürfen Zuschauer in die exklusive Welt der Schüler der L’École de Danse de l’Opéra de Paris eintauchen. Seit ihrer Gründung unter Ludwig XIV steht die Ballettschule der Pariser Oper für Schnelligkeit, Lebhaftigkeit und Charme. Dass natürlich 100-prozentige Präzision und die superbe Beherrschung der Tanztechnik ebenso wichtige Eckpfeiler der Ausbildung darstellen, versteht sich von selbst.

Pierre Lacotte lässt mit seiner „Paquita“-Rekonstruktion den Glanz vergangener Zeiten wieder erstrahlen. Der 1932 geborene Tänzer und Choreograf festigt damit seinen Ruf als führende Autorität für die Revitalisierung von Ballettklassikern aus der Ära der Romantik. Da nur der Grand Pas am Ende des Balletts auf die 1881er Fassung von Marius Petipa nachweislich zurückzuführen ist, begann Lacotte zusammen mit Carlotta Zambelli, die unter Petipas Leitung getanzt hatte, eine penible archäologische Arbeit. Der Franzose greift zudem auch auf die Pariser Urfassung von 1846 zurück, mit der der Choreograf Joseph Mazilier und der Komponist Edouard Deldevez beauftragt wurden – zu einer Zeit, als die Pariser Oper noch in der Salle de la rue Le Peletier untergebracht war. Der erste Akt ist mehr dem spanischen Kolorit – „Paquita“ spielt in Spanien zur Zeit der napoleonischen Besetzung – unterworfen. Rhythmisch, schnell und perkussiv sind der Einsatz der Beine und Arme, lebendig die Pantomime und bunt die Volkstänze. Deutlich tritt der Übergang zum klassischeren Part Petipas hervor: weite Sprünge, kurze Tutus und höfisch-zeremonielle Gesten umrahmen den famosen Grand Pas am Ende des Ballets. Luisa Spinatelli zeichnet als Bühnen- und Kostümdesignerin für die Pariser Paquita-Fassung verantwortlich. Ergebnis sind aufwändig gestaltete, edle Roben, aus feinem Zwirn und mit viel Liebe zum Detail gefertigt.

In der Live-Aufnahme von 2003 tanzen die beiden Étoiles Agnès Letestu (Paquita) und José Martinez (Lucien d´Hervilly), souverän begleitet vom Orchester l'Opéra national de Paris unter der Leitung von David Coleman, das Liebespaar – selbstverständlich in uneingeschränkter harmonischer und technischer Übereinstimmung. Dabei setzten sie dank ihres natürlich-bescheidenen Wesens ihre tänzerische wie darstellerische Leistung umso mehr in den Vordergrund. Besonderes Schmankerl sind die Interviews im Bonusmaterial. Hier kommen neben der (Noch-)Direktorin Brigitte Lefèvre, Pierre Lacotte sowie die beiden Hauptdarsteller zu Wort.

„Giselle“ gilt als Inbegriff des romantischen Balletts schlechthin. Wie viele Adaptionen von dem seit 1841 von Jules-Henri Vernoy de Saint-Georges und Theophile Gautier kreierten Ballettwerk tatsächlich existieren, ist schwerlich zu überprüfen. Was dagegen sofort ersichtlich wird, ist die hohe Qualität der „Giselle“-Einstudierung von 1991, die dieser Verfilmung zu Grunde liegt. In der Live-Aufnahme von 2006 verkörpern ausschließlich Étoiles die Hauptfiguren: Laetitia Pujol als Bauernmädchen Giselle rettet durch ihre aufopfernde Liebe zu Albrecht (Nicolas Le Riche) diesen vor der Rache der tanzbesessenen Wilis, insbesondere vor der der Wilis-Anführerin Myrtha (Marie-Angès Gillot). Das Bühnenbild stammt von Alexandre Benois aus dem Jahr 1924. Ursprünglich war die Bühnenausstattung für die „Giselle“-Fassung der Ballets Russes entworfen worden. Heute weiß man, dass mit den Ballets Russes jenes romantische Werk nach langer Abstinenz auf westliche Bühnen zurückgekehrt war. Einziger Wermutstropfen: Neben einem Einführungstext von Horst Koegler warten keine Boni auf den interessierten Tanzkonsumenten.


Die DVD-Box Opér National de Paris – The Ballet Classics enthält historisch wertvolle Meilensteine der Tanzgeschichte. Und mit Kosten in Höhe von nur 39,99 Euro ist die DVD-Box eine echte Ersparnis!

 

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