Zum Wegschmeißen

Szenenapplaus und Lachsalven beim ersten köstlichen Abend mit dem „Schleudertraum 9“ am Uni-Theater

Schenkelklopfen, prusten, johlen. Zuschauer, die sich den Bauch halten oder kurz davor sind unter die Stühle ihrer vorderen Nachbarn zu rutschen.

Regensburg, 25/03/2013

Schenkelklopfen, prusten, johlen. Zuschauer, die sich den Bauch halten oder kurz davor sind unter die Stühle ihrer vorderen Nachbarn zu rutschen. Bauerntheater, Volksbühne oder bei Christoph Maltz im Kasperltheater gelandet? Nein, es ist immer noch die Bühne des Studententheaters an der Uni und die Ränge sind voll besetzt mit einem generationenübergreifenden Publikum, dessen Herz für Tanz schlägt. Modernen, zeitgenössischen Tanz, um genau zu sein. Oberbürgermeister Hans Schaidinger war höchstpersönlich gekommen, um die neunte Ausgabe des einst regional gedachten Festivals „Schleudertraum“ zu eröffnen.

Er habe nach einem Gespräch mit Alexandra Karabelas, der künstlerischen Leiterin des Festivals für aktuellen Tanz in Bayern, erkennen dürfen, zählte Schaidinger vier Gründe für seine Schirmherrschaft auf, dass Regensburg auf der Landkarte das modernen Tanzes stehe. „Deshalb muss, besser gesagt darf ich den Schleudertraum fördern.“ Augenscheinlich hat die mit einer öffentlichen Förderung verbundene Bestätigung bereits jetzt einen kräftigen Schub ausgelöst. Mit „2 BC“, der 1. Bayerischen Biennale Choreografie, und einem räumlich, wie qualitativ erneut ausgeweiteten Programm verspricht die Nummer „9“ der interessanteste Schleudertraum bisher zu werden. Dabei wird die regionale Szene gut eingebunden.

Bereits am Eröffnungsabend waren mit „Hungry Butterflies 2/1“, einer komplett überarbeiteten früheren Choreografie von Karabelas, und dem anmutig schönen, kurzen Solo „Switch“ von Andrea Bibolotti, mit Verve getanzt von Katharina Pregler, zwei einheimische Produktionen mit am Start. Tatsächlich erwies sich Karabelas' anrührend intensives Duett, dem wieder die beiden Musiker Anka Draugelates (voc, viola) und Reinhold Bauer (große Trommel) als eigenständige Bühnenfiguren zugesellt sind, als eindringlichstes Erlebnis des Abends. Direkter noch als in der ersten Version, ist es den Tänzern Kilta Rainprechter und Stefan Dreher gelungen die Ideen von Sehnsucht, Begehren, Anziehung und Abstoßung in poetischer Flatterhaftigkeit, einem tastenden Umkreisen, Erspüren, in pointierter Ironie und tänzerischer Poesie und Dramatik umzusetzen. Für Rainprechter war die Arbeit mit dem Münchner Dreher, der zudem mit einer eigenen Choreografie mit am Start war, eine großartige Herausforderung, die sie mit großem Einsatz meisterte.

Drei weitere Duette setzten demgegenüber ganz unterschiedliche Akzente. In weiten, mehrschichtigen weißen Kleidern gingen Susana Schwarz und Tina Essl in einem spannenden Wechsel statischer und dynamischer Bilder Gedanken über Bruchstücke auf den Grund. Der Nürnberger Choreograf Carlos Cortizo ließ sich dafür von Mosaiken aus Antonio Gaudis Park Guell in Barcelona inspirieren. Assoziationen zu einer innerlich zerrissenen, aufgeteilten Figur, in deren Brust sich zwei Seelen andauernd zanken und gleichzeitig eng verbunden sind, lassen sich damit schwerlich in Deckung bringen. Fein und mit klassischen Formen eindrucksvoll getanzt (Stayce Camparo, Piotr Hlimczak) Regina van Berkels intimer Pas de deux „Daily Hero“. Wie die Figur einer Spieluhr tanzt, stolpert und steht die zierlich schöne Tänzerin im Mittelpunkt, wird aufgefangen, gehalten und wieder hingestellt, wenn ein Sturz die Glamourwelt bedroht.

Gleich zweimal wurden die Lachmuskeln der Zuschauer am Eröffnungsabend kräftig massiert. Bei „Ambaradan“, einer Uraufführung des Ballettdirektors am Münchner Staatstheater am Gärtnerplatz Karl Alfred Schreiner, blieb dem begeisterten Publikum das herzhafte Lachen allerdings zeitweise im Halse stecken. Als die beiden schuhplattelnden Lederhosenträger (Alessio Attanasio, Matteo Carvone) ihren aus der Reihe tanzende Wildfang (Ariella Casu) zu traktieren, treten und schlagen beginnen, scheint das Los der Andersartigen besiegelt. Die allerdings dreht den Spieß und die eingefleischten konservativen Männer um und beginnt ein absolut köstliches Hütchen-wechsel-dich-Spiel mit den beiden.

Den krönenden Abschluss des Abends bildete das tragisch-komische Solo „Bernadette“ von Caroline Finn. Die Engländerin tanzte zu Bossa Nova und kräftiger Rockmusik die biedere amerikanische Hausfrau selbst, die verzweifelt versucht nach Anweisung einen Kuchen zu backen. Am Schluss der hinreißenden Episode landen nicht nur Eier, Mehl und Schüssel auf dem Bühnenboden, sondern auch eine innerlich und äußerlich zerrüttete Hausfrau. Zum Wegschmeißen.
 

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