Das Sprechen und das Tanzen lernen

"Con anima mota" (Augsburger Ballett) Rotebühltreff

Stuttgart, 29/06/2001

Der Tänzer und Choreograf Jochen Heckmann ist im Rotebühltreff immer ein gerne gesehener Gast – ob früher mit seiner freien Truppe „Looping“, vor wenigen Monaten als Juror beim Solotanz-Festival, oder nun mit einer kleinen Delegation des Augsburger Balletts, das er seit zwei Jahren leitet. Heckmann ist zwar nicht gerade ein Tanzrevolutionär, aber er benutzt durchweg ein gängiges, modernes Vokabular, lässt in Socken tanzen und hat eine eigenwillige, oft intensiv berührende, menschliche Sicht der Dinge.

In dem jetzt gezeigten, sechsteiligen Programm „Con anima mota“, das von manchen roten Fäden durchzogen wird, könnte einer von ihnen sein, dass der Choreograf offenbar bekennt, mit seiner Kunst dem „berückenden Glanz der Kompositionen“ von Biber, Vivaldi, Scarlatti und John Cage nicht entsprechen zu können – immer wieder einmal scheinen seine Tänzer zu stocken und stolpern, machen einen helfenden Schritt zur Seite, stürzen gar. Dabei haben die Stücke einen schönen, tänzerischen Fluss, der seinen Ursprung direkt in den Tänzern zu haben scheint. Es ist, als ob ihre Bewegungen in der Körpermitte beginnen und sich gleichsam ihren Raum erobern.

Es geht überhaupt um die Entwicklung. Am Beginn erfährt Heckmann selbst in einem Solo die Kraft der Musik. Er scheint von ihr berauscht zu sein, sich mit ihrer Hilfe emotional zu häuten. Dem folgen zwei Damen und Herren, die zunächst einigermaßen orientierungslos wirken, sogar, was ihre sexuellen Vorlieben angeht. Aber der Anblick eines tanzenden Mädchens bringt die Männer doch auf den rechten Weg, der allerdings auch kein leicht zu gehender ist. Das sind fein gestrichelte Miniaturen, deren gelungenste jene ist, in der Georgia Carter mit Heckmanns Hilfe das Sprechen, Riechen, Hören und schließlich Sehen lernt, ein so beglückender, wie erschreckender Prozess.

Bei einigen Episoden hat der Augsburger Tänzer Kyle Bukhari choreografisch mitgewirkt, vor allem an „Interlude“, einem rätselhaften Stück, in dem er sich durch einen Turm aus Bänken von oben nach unten windet, während Carter ein Gedicht über den Verlust der Jugend rezitiert. In Augsburg wird anscheinend eine sehr gute und intensive Arbeit geleistet. Die Tänzer, unter ihnen der aus seiner Zeit bei Marco Santi auch hier bekannte Marco Barbera, sind sämtlich starke Bühnenpersönlichkeiten und agieren auf einem technisch hohen Niveau. Und ihr Chef gibt ihnen Stücke, mit denen sie sich erkennbar identifizieren. Das war hoffentlich nicht ihr letztes Gastspiel.

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