Radau und Stille

Cie. Philippe Saire "La haine de la musique" (Karlskaserne)

Ludwigsburg, 17/06/2001

Die Damen strecken den klatschenden Händen geradezu sehnsüchtig ihre nackten Bäuche entgegen, die Herren bieten ihnen genießerisch die nackten Rücken dar, es wird auch auf hohle Wangen geklopft – Tänzerkörper als Percussionsinstrumente. Dem Choreografen Philippe Saire aus Lausanne geht der Terror auf die Nerven, den die heutzutage allgegenwärtige Musik auf uns ausübt. Also hat er ein Stück mit dem Titel „La haine de la musique“ (Hass auf die Musik) geschaffen, in dem sich seine zehn Damen und Herren den Frust aus den Leibern schlackern können. Mit dieser Bewegungstirade gegen den rhythmischen Radau haben die Ludwigsburger Schlossfestspiele in der Karlskaserne ihre diesjährige Reihe „Performdance“ eröffnet. Das ist nicht gerade ein umwerfend originelles oder gar technisch anspruchsvolles Stück, aber es ist unterhaltsam und mit einer Menge hübscher Einfälle gespickt.

Wann immer die Schweizer per Fernbedienung das Popgebrülle aus den Lautsprechern und ihren eigenen Karaoke-Gesang stoppen, dann herrscht zwei Minuten lang himmlische Ruhe (Count-down auf dem Monitor), wenn man das laute Regengeprassel vom Hallendach überhört. Die nutzen sie, um lauschend ihre Ohren aneinander zu legen, um in ihr Inneres zu hören, das ihnen einen ganz anderen, eigenen Rhythmus vorklopft. Der fährt ihnen in die Glieder. Sie steppen zu ihm, atmen laut zu seinem Pochen, lassen ihre Hüften zu ihm kreisen und die Arme schlägeln.

Einer kann auch unheimlich schnell rennen und prima ein Huhn nachmachen. Aber irgendwie scheint das alles von eher privatem Charakter zu sein, weniger das Publikum, als mehr die Tänzer zu beschäftigen. Doch die glauben wohl selbst nicht an die heilsame Wirkung ihres Tuns, denn am Ende geht es mit Karaoke weiter.

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