Jo Fabian (Department/fabian.dept.) mit „Lighthouse“

Ludwigsburger Festspiele

Ludwigsburg, 20/06/2000

Am Eingang werden den Besuchern kleine Schaumstoffstöpsel für ihre Ohren offeriert. Es wird sehr laut, sagt die Dame. Nun ja, es ist manchmal wirklich etwas laut geworden. Aber in Balletten von William Forsythe oder gar in Discos geht es oft noch heftiger zu als in Jo Fabians „LightHouse.(alphasystem 04)“, mit dem die Berliner Truppe Department/fabian.dept. an zwei Abenden bei der diesmal überaus ambitionierten Tanzreihe der Ludwigsburger Festspiele in der Karlskaserne gastierte.

Jo Fabian ist seit mehr als zehn Jahren eine einzigartige Erscheinung in der deutschen Tanz- und Theaterszene. Ein Ästhet reinsten Wassers, treibt er seine optischen und akustischen Bühnenexerzitien auf die äußerste Höhe dessen, was überhaupt möglich erscheint. Wer ihnen uninformiert beiwohnt, oder nicht schnell genug kapiert, um was es geht, der ist versucht, wie auch in Ludwigsburg, bald das Handtuch zu werfen und das Weite zu suchen.

Meditativ veranlagte Charaktere oder Menschen, die sich gerne voll einbringen, erleben indessen bei Fabian ihr Elysium. Nebel erfüllt die fast dunkle Bühne. Auf ihr stehen vier Damen in schwarzen, langen Mänteln. Sie tragen weiße Bubikopfperücken. Im Hintergrund sind vier leere Projektionsflächen zu erkennen. Fernes Donnern ist zu hören, zirpende elektronische Geräusche und Vogelzwitschern. Nichts geschieht. Oder doch? Hat die eine Dame nicht gerade noch ihren Kopf anders gehalten? Steht die andere möglicherweise etwas aufrechter als zuvor? Die Minuten verrinnen.

Auf einer Projektionsfläche beginnt es zu flimmern, und ein Negativbild einer der Damen erscheint. Die Fläche wird tiefrot, eine zweite ebenfalls. Die Farbe wechselt zu gelb. Eine Pflanze wird erkennbar, eine zweite, dritte und vierte. Die Damen bewegen sich noch immer nicht, stehen inzwischen aber nebeneinander in einer Reihe. Und so werden sie noch in vierzig, fünfzig Minuten stehen, ganz langsam zunächst nur ihre Füße, dann auch ihre Beine auf der sandigen Fläche bewegen, mit leicht auswärtigem Schwung, unmerklich gewinnen die Schritte auf der Stelle an Tempo, aber man kann durchaus eine Zigarette rauchen, bis eine Phase beendet ist.

Wer jetzt immer noch hofft, es müsse doch irgendwann losgehen, dessen Nerven sind bis aufs Äußerste gereizt. Wilde Percussion hebt an, auf den Leinwänden tanzen Ebenbilder der Frauen wie in Riverdance, dann brüllt es blubbernd und röchelnd aus den Lautsprechern, als habe man einen Ghettoblaster mit fast leeren Batterien zu weit aufgedreht.

Dass gegen Ende die eine oder andere Dame die Bühne verlässt und als Schattenriss hinter der Leinwand zu sehen ist, dass sie zu richtigen Tanzschritten ausholen, das empfindet man beinahe schon als zu viel Action. Jo Fabian spielt mit unseren Sinneseindrücken, die Musik ist leiser als behauptet, das Stück dauert länger (90 Minuten) als angekündigt (75 Minuten), man nimmt bald seine technisch vollkommenen Projektionen für die Wirklichkeit und ist kaum gewillt, den Saal zu verlassen – es bedarf schon vieler Dankes und Mercis auf den Leinwänden, bis sich das Publikum zum Applaudieren entschließt. So kann Tanztheater sein, Fabian nennt es Tanzinstallation, verwirrend, benebelnd, großartig.

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