„Burn the Floor“

Stuttgart, 01/12/1999

Den Liebhabern großer und aufwendiger Bühnen-Tanzshows wird in letzter Zeit allerhand geboten. Nach den irischen Riverdance und The Lord of the Dance, beide kommen übrigens demnächst schon wieder nach Stuttgart, hat sich jetzt unter dem Motto „Genug gesteppt, jetzt wird getanzt!“ eine weitere, ganz anders ausgerichtete Truppe aus England aufgemacht, den gegenwärtigen Trend für sich zu nutzen: „Burn the Floor“, laut Eigenwerbung „Die heißeste Tanz-Sensation der Welt“. An der Richtigkeit dieser Behauptung müssen nach dem Auftritt in der Stuttgarter Schleyerhalle jedoch erhebliche Zweifel angemeldet werden.

Dass die finanzielle Kalkulation aufgehen wird, das scheint allerdings sicher. Denn schon mit den mit zwanzig Mark unverschämt teuren Programmheften, in denen nicht ein einziges deutsches Wort zu finden ist, dürfte ordentlich Kasse gemacht werden. Außerdem verzichtet die recht gut besuchte Show auf ein großes Orchester, anders als etwa Riverdance, sondern lässt den wummernden Sound aus der Konserve tönen. Wer es mag, dass hinter ihm die Geigen schrillen und vor ihm die Bläser gellen, der ist allerdings gut bedient. Es geht um den Ballroom Dance, also um Walzer, Quick Step, Jive und Rock ‘n‘ Roll, um Boogie Woogie, Latin und Hip Hop.

Dies wirkungsvoll auf die riesige Bühne zu bringen, hat der Produzent Harley Medcalf vierundvierzig Turniertänzerinnen und -tänzer, den Choreografen Anthony van Laast, den Dirigenten und Komponisten Stephen Brooker und jede Menge Designer engagiert - allesamt in ihrem Fach sehr renommierte Leute. Aber das funktioniert nur bedingt. So sehr auch der Nebel wallt, die Scheinwerfer blinken, die Lautsprecher zischen, donnern und glucksen - die Show macht nur Eindruck, wenn sich die Paare sozusagen auf ihrem ureigenen Parkett bewegen. Dann schweben und flitzen sie höchst attraktiv und synchron dahin, dann harmonieren die Körper und ihre Kostüme miteinander, es gibt schöne Bilder in schwarz und weiß, in pink und silber.

Zumal Bonita Bryg nicht die üblichen, aufgedonnerten Kostüme von Turniertänzern verwendet, sondern hübsche Kleider, in denen das flüssige Dahingleiten ein wirklicher Augenschmaus ist. Aber damit allein lassen sich mehr als zwei Stunden Aufführungsdauer nicht spannend gestalten. Also wird der Abend mit vielen Showeinlagen nicht angereichert, sondern angeärmert. Die Turniertänzer, nun auf fremdem Gebiet dilettierend, können keinem Fernsehballett das Wasser reichen und entlarven damit die einfallslosen Gruppenarrangements als ziemliche Langweiler. Das hopst hin und her, tritt choreografisch auf der Stelle und hört und hört nicht auf.

Vollends von allen guten Geistern verlassen sind van Laast und Brooker mit dem abscheulich kitschigen „Passionata“ frei nach „Carmen“ am Ende der Show, wenn sie zwei Biker zunächst vermutlich um die Königin von Saba und später um Carmen (mit roter Haarwolle und schwarzen Hörnern) fighten lassen. Ein bombastisch-schwülstiger Kostümaufmarsch, billige Nachtklub-Körperverschlingungen, Flamenco-Verballhornungen und lächerliches Grimassenschneiden zu einem öligen Elektronik-Mischmasch aus George Bizets Opernmusik. Damit disqualifizieren die Macher ihre Show sozusagen rückwirkend als künstlerischen Zynismus, dem jedes Mittel recht ist, wenn es nur Geld bringt. Konkurrenz für Riverdance? Da vergeht einem das Lachen.

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